SRF: Yael Ronen, Sie sind seit vier Jahren Hausregisseurin am Maxim Gorki Theater in Berlin. Was zeichnet für Sie diesen Ort aus?
Yael Ronen: Das Gorki Theater ist zu einem besonderen Theater für mich geworden, weil hier immer wieder versucht wird, aus den gewohnten Bahnen auszubrechen und sich zu öffnen. Es ist ein sehr dynamischer Ort.
Hier bekommen Menschen, die sonst in der Kultur wenig repräsentiert sind, eine Stimme. Dass ich hier regelmässig arbeite, meine Geschichten oder meine Reflexion über Deutschland auf die Bühne bringen kann, zeugt von dieser Offenheit.
Sie sind in Isreal aufgewachsen. Wie unterscheidet sich das israelische Theater vom deutschsprachigen?
Im israelischen Theater dominieren neue Stücke. Vielleicht weil Israel ein junges Land ist, viel Selbstreflexion braucht und dies Gegenwartsstücke leisten können.
Als ich nach Deutschland kam, hat man mir gesagt, dass hier eher Klassiker und bekannte Stücke beim Publikum beliebt sind.
Aber langsam scheint sich das zu ändern. Das Interesse an neuen Stücken, die eine neue Realität aufzeigen, scheint zu wachsen.
In Israel wurde mir von Kindesbeinen an beigebracht, dass Araber unsere Feinde sind.
Sie haben mit dem Exil Ensemble des Gorki Theaters das Stück «Winterreise» erarbeitet (siehe Box). Was hat diese Arbeit ausgezeichnet?
Es war auf jeden Fall eine spezielle Arbeit. Sie müssen bedenken: In Israel wurde mir von Kindesbeinen an beigebracht, dass Araber unsere Feinde sind. Den arabischen Schauspielern dagegen wurde eingebläut, dass Israel der grosse Feind ist.
Das ist nicht unsere Ideologie. Wir haben uns während der Arbeit persönlich kennengelernt und sind Freunde geworden. Trotzdem haben wir dieses «Brainwashing» während den Proben immer wieder neu reflektiert, um uns davon frei zu machen.
Sie arbeiten immer mit den realen Geschichten der Schauspieler und Schauspielerinnen und gestalten daraus zusammen einen Theaterabend. War die Arbeit mit dem Exil Ensemble anders als sonst?
Einige der Schauspieler und Schauspielerinnen sind noch nicht lange in Deutschland und mussten vor dem Krieg fliehen.
Sie kommen aus anderen Theatertraditionen und sprechen teilweise noch kein Deutsch. Manche von ihnen sind sehr jung und konnten ihre Ausbildung nicht abschliessen.
Das hat alles mitgespielt. Beim Exil Ensemble geht es um mehr, als nur zusammen ein Theaterstück zu machen.
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Würden Sie sagen, dass das Exil Ensemble ein Intergrationsprojekt ist?
Integration ist zu einem komplizerten Begriff geworden. Aber ja, es geht darum, Schauspielern und Schauspielerinnen, die neu in Berlin leben, die Möglichkeit zu geben, das deutsche Stadttheatersystem kennenzulernen.
Es ist wichtig, dass sie auch im Exil als Künstler arbeiten und ihre Geschichten erzählen können. Sie kommen mit ihren Erfahrungen und Talenten und können diese hier weiterentwickeln. Gleichzeitig erfahren sie, wie hier das Theater funktioniert.
Werden Sie wieder mit dem Exil Ensemble arbeiten?
Weil das Exil Ensemble auch eine Weiterbildung sein soll, macht es mehr Sinn, dass als nächstes andere Regisseure mit den Schauspielern und Schauspielerinnen des Exil Ensembles arbeiten.
Aber ich hoffe sehr, dass ich mit einigen zu einem späteren Zeitpunkt wieder arbeiten werde. Aber dann nicht mehr als Mitglieder des Exil Ensembles sondern als individuelle Künstler.
Das Gespräch führte Dagmar Walser.