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Gesellschaft & Religion Eine Klinik in der Südsee pflegt verletzte Schildkröten

Zwar tragen Schildkröten einen Panzer, aber vor Verletzungen sind sie nicht gefeit. Meist sind es Menschen, die ihnen Schaden zufügen. Auf der Südseeinsel Moorea nimmt sich eine Schildkrötenklinik verletzten Tieren an und lehrt den Einheimischen einen respektvollen Umgang mit der uralten Tierart.

30 Minuten braucht die Fähre von Tahiti nach Moorea. Vom Meer aus wirkt die kleine Nachbarinsel mit ihren steilen Hängen wie die Tropenversion der norwegischen Lofoten. 16'000 Menschen leben hier von und mit den Touristen.

Im Nordwesten liegt, auf dem Gelände eines Luxushotels, die Klinik für Meeresschildkröten. 2004 wurde sie von der Umweltorganisation «Te Mana O Te Moana» gegründet. Der Name bedeute soviel wie «der Geist des Meeres», erklärt Matthieu Petit. Der 29-jährige Franzose arbeitet hier als Meeresbiologe: «Unser Ziel ist es, die Tiere des Ozeans zu schützen, wobei wir uns besonders um verletzte und kranke Meeresschildkröten kümmern.»

Die Gründe für die Verletzungen seien vielfältig, sagt Petit. Meist würden Schildkröten von Menschen verletzt, mit Harpunen oder Fischernetzen. In der Klinik werden sie gesund gepflegt und möglichst schnell wieder freigelassen.

Sogar per Flugzeug geliefert

Aus ganz Französisch-Polynesien werden die Schildkröten nach Moorea gebracht. Manchmal von Touristen, manchmal von Polizisten und Fischern.

Eine gelb-schwarze Schildköte mit geöffnetem Mund.
Legende: In der Wildnis würde diese blinde Schildkröte kaum überleben. Michael Marek

«Die Schildkrötenklinik hat mittlerweile einen überregionalen Ruf», sagt Petit. Sogar mit dem Flugzeug würden die Tiere geliefert, darunter Karett-, Bastard-, Leder- und Suppenschildkröten. Manche erreichen eine Panzerlänge von über zwei Meter. Doch vielen Tieren könne man trotz tierärztlicher Behandlung nicht mehr helfen.

Am Boden liegt ein grosses Schildkrötenweibchen, das am Morgen mit Verletzungen an Kopf und Nacken gebracht wurde. Die Wunden sind tief, «vermutlich von einer Harpune verursacht», sagt Petit. Der Schildkröte gehe es sehr schlecht, möglicherweise werde sie die kommende Nacht nicht überleben. «Wir haben die Wunden desinfiziert und mit Medikamenten versorgt, mehr können wir im Augenblick nicht tun.»

Zwischen traditioneller Jagd und Wilderei

Dann spricht Matthieu Petit über das «grosse Dilemma». Schildkrötenfleisch gilt in Polynesien als Delikatesse. Vor allem ältere Menschen glauben noch immer an eine spirituelle Wirkung. «Es gibt hier eine Kluft: Einerseits jagen die Familien Schildkröten aus einer kulturellen Tradition heraus», sagt Petit, «das Fleisch ist nur für den persönlichen Verzehr.»

Andererseits gäbe es die grossangelegte Wilderei: «Gut organisierte Netzwerke, die sich an die Nester heranmachen und die Schildkröten töten.» Bis zu 1000 Tiere seien das pro Saison, oder 30'000 Kilogramm. «Unglaublich!», ereifert sich der Biologe.

Dahinter stecke eine gut funktionierende Industrie. Die Mitarbeiter der Schildkrötenklinik hätten nichts gegen die kleinen Fischer und ihre Familien, die ein, zwei Schildkröten fangen, «aber die grossangelegte Wilderei bekämpfen wir.»

Schulen klären über Schildkröten auf

Meeresschildkröten fallen unter das 1975 in Kraft getretene Washingtoner Artenschutzabkommen. Seit 1990 sind in Französisch-Polynesien der Transport, die Haltung, das Sammeln der Eier, der Verkauf sowie der Fang der Meeresschildkröten gesetzlich untersagt.

Heute arbeiten Umweltorganisationen wie «Te Mana O Te Moana» und die Tourismusindustrie Hand in Hand, sagt Petit. Es gehe auch darum, jungen Polynesiern zu erklären, warum sie respektvoll mit den Meerestieren umgehen sollen. Nur über Erziehung könne sich das Verhältnis der Polynesier zu den Tieren ändern.

Gemeinsam mit der Schulbehörde der Insel hat die Schildkrötenklinik ein spezielles Bildungsprogramm erarbeitet, einschliesslich einer kleinen Ausstellung: «Die Menschen müssen verstehen: Bei den Meeresschildkröten handelt es sich um eine sehr alte Tierart, die bereits zur Zeit der Dinosaurier gelebt hat. Sie sind in gewisser Weise Botschafter des Meeres.»

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