Ein Mädchen weint bei der Beerdigung ihres Vaters. Ein Junge lernt in einem Schutzraum bei Kerzenschein für die Schule. Ein bewaffneter Soldat herzt eine Katze und Kinderzeichnungen – ein buntes Häuschen, darüber Raketen, daneben ein Panzer.
«Leider ist das unsere neue Realität, unser neues Alltagsleben», sagt Maiia Makieieva, Co-Herausgeberin des ukrainischen Fotobuches. «Wir können wegen des Krieges nicht einfach mit Leben aufhören. Die Situation ist schrecklich.»
Die ukrainische Fotografin hat gemeinsam mit dem Oltener Fotografen Patrick Lüthy ein Fototagebuch aus der Ukraine ins Leben gerufen. Mittlerweile 6'000 Fotos von Profis und Kindern, von Frauen und Männern dokumentieren den Alltag im Krieg.
Darunter gibt es auch Bilder aus Makieievas Heimatstadt Odessa. «Im Sommer 2022 hatten wir heftige Raketenangriffe. Eine Woche lang, jede Nacht, jeden Morgen sah man die Zerstörung und die Leute haben einander beim Aufräumen geholfen.»
Auch ohne Blut spürt man den Schrecken
Die Ausstellung «Ukrainisches Fototagebuch» in Olten verzichtet einzig auf explizite Gewaltdarstellungen, auf Fotos von Verletzungen und Blut. Die Bilder sind auch so heftig genug. Und: Makieieva gehe es darum, den Menschen die ukrainische Realität zu zeigen.
Denn viele Menschen in der Welt vergessen den Krieg. «Das verstehe ich. Aber die Menschen in der Ukraine können ihn nicht vergessen, weil wir im Krieg leben. Diese Fotos sollen unsere Tragödie zeigen.»
Manche Bilder hätten sie zum Weinen gebracht, sagt Maiia Makieivea. Doch sie macht mit dem Fotoprojekt weiter. Denn es beinhalte nicht nur diese Ausstellung, sondern ist auch ein grosses Archiv der kollektiven Erinnerung an den Ukrainekrieg.
Helfen – aber wie?
Angeregt hat das ukrainische Fototagebuch der Oltener Fotograf Patrick Lüthy. Er war am 24. Februar 2022 im Solothurnischen auf Fotoreportage. «Das war Fasnachtsbeginn. Ich war im Thal, habe morgens um 4:00 Uhr fotografiert und sah, dass die Leute alle auf ihre Smartphones schauten.» Denn an diesem Morgen hatte Putin seine Armee in Gang gesetzt.
Lüthy wollte etwas tun: Er half, Hilfsgüter in den Osten und Kriegsflüchtlinge in die Schweiz zu bringen, und überlegte sich, was er als Fotograf tun könnte. Er schrieb ukrainische Organisationen an – und lernte so die Berufskollegin Maiia Makieieva kennen. Gemeinsam schufen sie das Online-Fototagebuch, das allen offensteht.
Nicht alle Bilder werden veröffentlicht
Die Fotos aus der Ukraine machen ihn traurig, sagt Patrick Lüthy. Er ist dafür zuständig, alle Bilder zu sichten. In einem speziellen Ordner legt er dann Fotos ab, die im Online-Archiv nicht publiziert werden. Weil die einfach zu schrecklich sind.
Am Projekt arbeitet Lüthy meistens in der Nacht, da er tagsüber seinem Beruf nachgeht. «In der Nacht editiere ich diese Fotos – und das ist dann teilweise schon schwer für mich.»
Und noch viel schwerer ist es für die Menschen, die diesen Krieg am eigenen Leib erleben. In diesem Moment nicht gar weit von der Schweiz entfernt.