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Musik Vinyl boomt, die Plattenläden leiden trotzdem

Die neusten Verkaufszahlen der Musikindustrie deuten darauf hin, dass die Branche ihren rasanten Absturz auffangen konnte. Vor allem der Verkauf von Vinyl-Platten wächst seit einigen Jahren. Trotzdem: Von einem Schallplatten-Boom will der Schweizer Ladenbesitzer Pedro nichts wissen.

Der Absturz der Musikindustrie scheint die Talsohle erreicht zu haben: Aktuelle Zahlen des Branchenverbands IFPI besagen, dass die Umsätze der Musikindustrie 2014 weltweit stabil geblieben sind – zum ersten Mal seit Jahren.

Record Store Day

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Legende: Flickr/Sami Pyylampi

Am Samstag, 18.4. ist der Record Store Day, der internationale Tag der unabhängigen Plattenläden. Zahlreiche Künstler – unter ihnen auch Grössen wie David Bowie, U2 oder die Foo Fighters – veröffentliche limitierte Sonderpressungen, die nur in den beteiligten Läden zu kaufen sind. Auch zahlreiche Plattenläden in der Schweiz machen mit.

Dies liegt vor allem an den gewachsenen Einnahmen von Musikstreamingdiensten. Als weiterer Grund wird aber gerne auch der Verkauf von Vinyl-Platten genannt, der seit einigen Jahren wieder wächst. 2014 wurden in der Schweiz 80 Prozent mehr Vinyl-Scheiben verkauft als im Vorjahr.

Die Schallplatte als Retter?

Hat die Musikindustrie in der guten alten Schallplatte also einen Retter gefunden? Kaum – denn das Wachstum klingt in Prozenten vielleicht beeindruckend, in absoluten Zahlen waren es aber bloss 90'000 Schallplatten, die 2014 in der Schweiz verkauft wurden. Im Vergleich zu den CDs – von denen im letzten Jahr immerhin noch 3,6 Millionen Stück abgesetzt wurden – ist das ziemlich bescheiden.

Allerdings erfasst die Statistik des Branchenverbands IFPI auch nicht alle Verkäufe: Platten, die Schweizer Kunden übers Internet im Ausland kauften, sind nicht mitgezählt. Deshalb sind es laut IFPI eben nicht nur diese 90'000 Scheiben, die in der Schweiz verkauft wurden, sondern «möglicherweise ein Vielfaches» davon.

Video
Pedro zeigt seine Plattencover für die Ewigkeit
Aus Kultur Extras vom 17.04.2015.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 8 Sekunden.

Restaurant statt Fast Food

Dass sich Vinyl immer noch verkauft, ist für Liebhaber nicht überraschend. Der Besitzer der Plattenläden «Zero Zero» in Baden und Zürich, den seine Kunden nur Pedro nennen, erklärt es so: «Diese ganze Downloaderei erzeugt eine Leere – da hast du nichts in der Hand, hast kein Cover. Es ist etwas Totes.» Man hätte dann einfach ein Gerät, auf dem zwar 30'000 Songs sind, aber das bedeute nicht mehr viel. Für Pedro ist der Vergleich zwischen einer Platte und einem Download «wie in einem guten Restaurant zu essen oder Fast Food reinzuziehen».

Audio
Remo Vitelli bei Pedro im «Zero Zero» in Baden.
aus Kultur kompakt vom 17.04.2015.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 48 Sekunden.

Auch beim Verband IFPI sieht man ähnliche Gründe für den gestiegenen Vinyl-Verkauf: «Jeder Trend löst einen Gegentrend aus». Musik wird eben heutzutage vor allem im Internet besorgt: Sei es dass sich die Leute MP3-Dateiten herunterladen, sei es dass die Leute Musik einfach streamen. Gerade gestreamt wurde letztes Jahr nochmals markant mehr, der Umsatz hat sich beinahe verdoppelt.

Doch beim Streamen ist die gekaufte Musik noch weniger fassbar. Deshalb haben wohl viele Menschen wieder das Bedürfnis nach etwas Handfestem. Und das ist öfters nicht die kleine CD, sondern die LP mit ihrem grossen, bunten Plattencover.

Unklare Zukunft trotz vermeintlichem Boom

Vom häufig erwähnten Vinyl-Hype spürt Pedro in seinen Läden aber nicht viel – von einem Boom könne nicht die Rede sein, sagt er. Pedro hat in seinen Läden schon immer viel Vinyl verkauft, dank seiner Stammkundschaft. Über die Jahre sei es aber immer weniger geworden. «Wir haben eine sensationelle Kundschaft, sonst wären wir schon lange nicht mehr da», sagt Pedro.

Einige der Kunden kaufen seit 30 Jahren bei ihm ein und immer wieder kommen junge Kunden dazu. «Das sind die Leute, die uns am Leben halten». Dennoch: Die Zukunft seiner Läden ist unsicher. Das ganze Geschäft leide, sagt er. Wie lange Pedro seine Läden noch halten kann, ist ungewiss.

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