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Das Auto in der Krise Überschüssiger Strom – das Benzin der Zukunft?

An schönen und windigen Sommertagen fällt überschüssiger Wind- oder Solarstrom an. Neue Speichertechnologien sind deshalb gefragt. Und die könnten dem Auto zugute kommen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Mit der Power-to-Gas-Technologie lässt sich Strom zu Gas machen.
  • In Zukunft könnte so überschüssiger Wind- oder Solarstrom ins Gasnetz gespeist werden.
  • Das Gas kann zum Beispiel von Autos als Treibstoff genutzt werden – und wer das tankt, fährt klimaneutral.

Speichern im grossen Stil

In der Aarmatt bei Solothurn befindet sich die Versuchsanlage von «Regio Energie», einem regionalen Stromproduzenten mit 160 Mitarbeitern.

Zusammen mit Partnern aus mehreren Hochschulen erforscht man hier, wie gut die Umwandlung von Strom zu Gas im grösseren Massstab funktioniert.

Ist der Strom mit der Power-to-Gas-Technologie erst einmal zu Gas gemacht, kann er in grossen Mengen im bereits existierenden Gasnetz gespeichert werden.

Mit diesem Gas könnten auch Autos mit Erdgasmotoren fahren, die Infrastruktur dazu ist in Grundzügen bereits vorhanden, rund 140 Erdgastankstellen gibt es in der Schweiz.

«Der Vorteil von Power-to-Gas ist auch, dass man die Anlagen so gross bauen kann, wie man möchte. Andere Technologien wie Pumpspeicherkraftwerke sind da stark eingeschränkt», sagt Thomas Schellenberg, der Leiter Energie. Damit wäre eine Stromspeicherung auch im grossen Stil möglich.

Aus Strom wird Wasserstoffgas

Seit knapp zwei Jahren ist die Anlage des Hybridwerks Aarmatt in Betrieb und produziert aus Strom Wasserstoffgas. Das geschieht in den sogenannten Elektrolyseuren: Sie spalten mit Hilfe von Strom flüssiges Wasser in gasförmigen Wasserstoff und Sauerstoff auf.

Ein Mann mit Schnauz unter freiem Himmel.
Legende: Thomas Schellenberg, Leiter Energie von «Regio Energie Solothurn». SRF

Der Wasserstoff wird abgefangen und kann anschliessend ins Gasnetz eingespeist werden. Das funktioniere sehr effizient, sagt Thomas Schellenberg: «Wir nutzen hier nicht nur den Wasserstoff, sondern auch die Abwärme, die dabei entsteht. So erreichen wir einen Wirkungsgrad von ungefähr 80 bis 90 Prozent.»

Das Gasnetz will Methan

Doch Wasserstoff ist nur in geringen Mengen von maximal zwei Prozent im Gasnetz erlaubt. Denn Wasserstoff verändert die Brenneigenschaften von Erdgas – heutige Geräte können damit nicht umgehen.

In der Aarmatt wird deshalb noch eine weitere Anlage gebaut. «Ab Frühling 2018 werden wir hier eine biologische Methanisierungs-Anlage haben, im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts ‹Store & Go›», so Schellenberg.

In meterhohen Tanks werden dann Milliarden Mikroorganismen gezüchtet, die Methan produzieren. Das eingesetzte Methanobacterium thermoautotrophicum stammt ursprünglich aus heissen Quellen und fühlt sich bei 65 Grad Celsius am wohlsten.

Sauerstoff mag das Methanobacterium gar nicht – dafür Wasserstoff und Kohlendioxid-Gas umso mehr. Daraus produziert es dann Methan und Wasser.

Das Auto von morgen

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Vielseitig verwendbar

Methan ist chemisch gesehen dasselbe wie Erdgas – und kann so direkt ins bestehende Erdgasnetz eingespeist werden.

Das künstliche Erdgas lässt zu einem späteren Zeitpunkt vielseitig einsetzen: Man kann damit Wohnungen heizen, Energie für die Industrie bereit stellen oder auch Auto fahren, bei einem entsprechend ausgerüsteten Fahrzeug.

Wenn man wollte, könnte man das Erdgas mit Gasturbinen auch wieder zu Strom machen. Mit Gas- oder Blockheizkraftwerken. Der Energieverlust bei der Umwandlung einmal im Kreis herum, Strom – Gas – Strom, ist dann je nach eingesetzter Technologie allerdings beträchtlich.

Noch nicht rentabel

«Wir müssten von den Netznutzungsentgelten und Abgaben befreit werden für den Strom den die Anlage hier braucht. Dann wäre unser erneuerbares Methan konkurrenzfähig mit Biogas», sagt Thomas Schellenberg.

Ob es die Power-to-Gas-Technologie in 10 oder 20 Jahren tatsächlich braucht, weiss man heute noch nicht. «Wir gehen aber davon aus, dass mit der Energiestrategie 2050 viel mehr lokal produzierter Strom anfällt, vor allem aus Wind und Fotovoltaik».

Im Sommer sei deshalb in Zukunft auch in der Schweiz überschüssiger Strom zu erwarten, so Schellenberg. Damit dieser Strom auch genutzt werden kann, muss er zwischengespeichert werden – umgewandelt in eine andere Energieform. So wie zum Beispiel in der Aarmatt in Wasserstoff und Methan.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 13.9.2017, 09:02 Uhr

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