Etwa ein Dutzend Männer, Frauen und Kinder stehen unter den dichten Baumreihen im steilen Olivenhain am Eingang des Dorfes von Gandria. Mit kleinen gelben Plastikhandrechen lösen sie die schwarzen und grünen Oliven von den Bäumen.
Die Arbeit sieht mühsam aus, Antonio aber gefällt sie: «Gute Gesellschaft, schönes Wetter, man spürt gar nicht, dass es anstrengend ist.» Für Seif, der ursprünglich aus Tunesien stammt, ist das gemeinsame Olivenernten zu einem Event geworden. «Ich bin vor kurzem nach Bern gezogen, deshalb ist es eine gute Gelegenheit, sich mal wieder zu sehen.»
Gutes Wetter, gute Leute, schönes Wetter, man spürt gar nicht, dass es anstrengend ist.
Bei der Ernte dabei sind auch Flüchtlinge. 22 Asylbewerber von den Bundesasylzentren Chiasso und Pasture sind es, welche im Rahmen eines Beschäftigungsprogrammes in den Olivenhainen mithelfen und dafür ein Sackgeld erhalten. So wie ein 29-jähriger Marokkaner.
Flüchtlinge helfen mit – eine Win-win-Situation
Es sei sicher besser, hier zu helfen, als den ganzen Tag im Zentrum zu bleiben. Hier könne man auch das Land und ein paar Leute kennenlernen und sogar noch etwas Geld verdienen.
Die Asylsuchenden können zwar auch sonst ihre Zentren tagsüber verlassen, dennoch ist die Arbeit unter freiem Himmel eine willkommene Abwechslung. Der Eindruck, dass es die Asylbewerber gerne machen, täusche nicht, sagt auch Nicolas Cerclé vom Staatssekretariat für Migration SEM. Es sei eine Win-win-Situation. «Die Leute können das Zentrum verlassen, haben etwas Abwechslung im Alltag und die Gemeinden sind froh, dass sie diese Arbeiten machen.»
Wenig Ertrag, viel Herzblut
Alle packen mit an bei der gemeinsamen Olivenernte: Asylsuchende, Einheimische, Zugezogene und Gäste. Nur die Ernte 2025 wird nicht gut werden. Daniel Winiger, der als Bauer die Olivenernte in Gandria koordiniert, zieht eine ernüchternde Bilanz: Schädlinge und wenige Früchte – die Olivenernte in Gandria werde schlecht ausfallen, maximal 30 Liter ÖL würde der Ertrag geben, sagt Winiger. Schuld seien Schädlinge und wenige Früchte. Das Öl wird als «L'or da Gandria» in Fläschchen abgefüllt und in der Dorfbeiz, der Bottega di Gandria, verkauft.
Francesca Solari hat diese Bottega gegründet. Sie ist auch im Quartierverein aktiv und engagiert sich mit dem Verein Viva Gandria für das kulturelle Erbe des Dorfes: für das Ortsbild, die Renovation alter Palazzi, die Pflege der Terrassenhänge – und für den Erhalt der Olivenhaine. Doch genau diese sind nun in Gefahr: Die Stadt Lugano will aus Spargründen den Unterhalt der über 150 Bäume nicht mehr finanzieren.
Eine Frage der Prioritäten
Dabei müssten sie regelmässig geschnitten und gepflegt werden. Solari findet den Entscheid der Stadt falsch. Es gehe hier um maximal 20'000 Franken jährlich. «Es kommt drauf an, wo man die Prioritäten setzt, ob auf Beton oder auf die Natur», so Solari. Mit dem Geld aus den verkauften Olivenöl-Fläschchen soll ein Teil des Unterhalts der Olivenbäume bezahlt werden.
Aber das reiche nicht. Deshalb ist man auf Spenden angewiesen. Auf kleinen Tafeln wird entlang des beliebten Sentiero dell'Olivo zwischen Lugano und Gandria auf Deutsch und Italienisch um Spenden für den Erhalt der historischen Olivenhaine von Gandria geworben. Der Weg wird von vielen Touristinnen und Touristen frequentiert. So hofft man auf die eine oder andere Spende.
Die gemeinsame Olivenernte als Event: Gandria macht es seit einigen Jahren vor, und ist fest gewillt, weiterzumachen – auch ohne Unterstützung aus Lugano.