Die Luft unter den Nato-Partnern war zum Schneiden: Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz zauderte und zögerte in der Panzer-Frage; der Geduldsfaden von Warschau bis nach Washington drohte zu reissen. Am Ende konnte Berlin durchsetzen, dass seine Leopard-Panzer nur im Tandem mit amerikanischen Abrams-Panzern an die Ukraine geliefert werden.
Die transatlantische Verstimmung fand ein mehr oder weniger gütliches Ende. Nun aber werden neue Forderungen aus Kiew laut. Und diese haben es sich: Um der russischen Invasion zu begegnen, möchte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski Langstreckenraketen, mehr Artillerie – und Kampfjets.
Im Krieg in der Ukraine könnten Kampfjets die Karten neu mischen. Laut Marcel Berni, Strategieexperte an der ETH Zürich, ist es bislang noch keiner Seite gelungen, die Lufthoheit zu erlangen. «Was wir jetzt sehen, ist der verzweifelte Versuch der Ukraine, den Luftraum durch neue Kampfjets besser zu kontrollieren.» Denn aus der dritten Dimension sei die Ukraine besonders verwundbar.
Das Veto aus Berlin und Washington kam aber prompt: Die USA werden der Ukraine nach Aussage ihres Präsidenten Joe Biden keine F-16-Kampfjets liefern. Auf die Frage einer Reporterin: «Werden die USA der Ukraine F-16 zur Verfügung stellen?», antwortete Biden am Montag in Washington mit «Nein».
Noch deutlicher wurde Berlin: Kanzler Scholz nennt die Debatte «eigenwillig» und sprach sich bereits am letzten Mittwoch im Bundestag gegen die Lieferung von Kampfjets aus. Auf seiner Lateinamerika-Reise schob Scholz nach, dass dazu alles gesagt sei. Eine Regierungssprecherin betonte, dass man auf jeden Fall vermeiden wolle, dass die Nato und Deutschland Kriegspartei würden.
Einzig der französische Präsident Emmanuel Macron schliesst die Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine nicht grundsätzlich aus. «Prinzipiell ist nichts verboten», sagte er am Montag in Den Haag auf die Frage, ob Frankreich Kampfflugzeuge an die Ukraine liefern werde.
Manche Länder machen sich grosse Sorgen, dass der Schritt in die dritte Dimension dazu führen könnte, dass Moskau auch westliche Ziele ins Visier nimmt.
Besonders brisant: Laut Strategieexperte Berni wäre die Ukraine mit westlichen Kampfjets fähig, auch russische Ziele hinter den Fronten zu bekämpfen. «Und das durchaus auch auf russischem Boden – genauso, wie es die Russen seit Kriegsbeginn auf ukrainischem Boden machen.»
Nur leere Drohungen aus Moskau?
Ein solcher Angriff dürfte das Eskalationspotenzial des Konflikts weiter anheizen. Doch eben diese Gefahr wird in den westlichen Hauptstädten unterschiedlich eingeschätzt – was am Anfang der Kakofonie steht, wenn es um weitere Waffenlieferungen an die Ukraine geht.
«Die einen machen sich grosse Sorgen, dass der Schritt in die dritte Dimension dazu führen könnte, dass Moskau den Krieg weiter eskalieren und auch westliche Ziele ins Visier nehmen könnte», sagt Berni. Andere Staaten würden entsprechende Drohungen aus Moskau nicht ernst nehmen – und fokussierten auf den militärischen Nutzen von Waffenlieferungen.
Dazu kommt: Mit der Lieferung immer potenterer Waffensysteme gibt es in so manchem Nato-Mitgliedsstaat auch Bedenken, dass die eigene Kampffähigkeit erodieren könnte.
«Heute sprechen wir über schwere Kampfpanzer, morgen über Kampfjets und übermorgen über Schlachtschiffe und U-Boote», bricht Berni die Skepsis herunter. «Andere Länder sind viel optimistischer und trauen der Ukraine schon bald den Sieg zu – und sind deswegen eher bereit, sich auf ein Vabanquespiel einzulassen.»