Die neue Liste der «300 reichsten Menschen in der Schweiz» des Wirtschaftsmagazins «Bilanz» knackt mit einem Gesamtvermögen von 850 Milliarden nicht nur Rekorde. Sie bringt auch unbekannte Namen aufs Tapet. Gleichzeitig zeigen neue Zahlen des Bundes, dass bis zu 9 Prozent der Menschen in der Schweiz als arm gelten. Wirtschaftsredaktor Klaus Ammann ordnet ein.
850 Milliarden – wie viel ist das im Vergleich?
Das entspricht ziemlich genau dem BIP, dem Bruttoinlandsprodukt der Schweiz. Das ist der Marktwert aller in der Schweiz hergestellten Waren und Dienstleistungen während eines Jahres. Letztes Jahr betrug das BIP 854 Milliarden Franken. Ein anderer Vergleich lässt sich mit der Schweizer Altersvorsorge ziehen: Das Vermögen dieser 300 Reichsten beträgt etwa zwei Drittel des ganzen Vermögens in der 2. Säule.
Die Beträge haben sich in den letzten Jahren stark entwickelt. Die erste solche Liste im Jahr 1989 umfasste die 100 Reichsten der Schweiz. Sie kamen zusammen auf lediglich 66 Milliarden – fünfmal weniger als das damalige BIP.
Seit letztem Jahr hat sich auf der Liste einiges geändert. Was fällt auf?
Verliererin, wenn man dem so sagen kann, ist die Familie Blocher. Sie ist nach wie vor auf der Liste, aber erstmals seit Jahren nicht mehr unter den Top 10. Dies, weil die Aktien der EMS-Chemie von Magdalena Martullo-Blocher deutlich an Wert verloren haben. Laut Bilanz rund 1 Milliarde Franken.
Eine andere Familie, die Familie Aponte, der die Reederei MSC in Genf gehört, hat ihr Vermögen um vier Milliarden auf gut 25 Milliarden ausgebaut. Trotz Zöllen, die den Welthandel belasten. Und auch der Patron des Luxusgüterkonzerns Richemont, Johann Rupert, verzeichnet eine Zunahme von zwei Milliarden. Ausserdem fällt auf, dass viele der Neuzugänge auf der Liste aus Norwegen stammen.
Warum aus Norwegen?
Die norwegische Regierung hat 2021 den Steuersatz für grosse Vermögen verdoppelt. Seither sind viele Reiche und deren Erben in die Schweiz gezogen.
Derweil gelten in der Schweiz 9 Prozent als arm. Wie geht das zusammen?
Tatsächlich tut sich da eine Schere auf zwischen Arm und Reich. Die Zahlen zur Armut stammen aus einer neuen Studie des Bundes. Die zeigt, dass der Prozentwert an Armutsbetroffenen seit Jahren gleich bleibt. Das heisst: In absoluten Zahlen gibt es also mehr Arme in der Schweiz. Das, obwohl sich die Schweiz eigentlich dazu verpflichtet hatte, die Armut zu reduzieren.
Besonders eine Tatsache sorgt bei vielen für Unmut: Dass es auch in der Schweiz eine – zwar kleine – aber doch wachsende Schicht von Menschen gibt, die nicht im klassischen Sinne arbeiten müssen. Sie lassen ihr Geld für sie «arbeiten» auf den Aktienmärkten. Damit verdienen sie mehr als etwa Firmengründer, die Risiken eingehen. Ganz zu schweigen von Arbeitnehmenden, die einer herkömmlichen Lohnarbeit nachgehen. Noch ist die Schere im Vergleich zu anderen Ländern kleiner und die Armen sind weniger arm. Doch politisch wird sie uns künftig stark beschäftigen.