Mit dem globalen Atomwaffenarsenal könnte man die Welt mehrfach zerstören. Über 12'000 Sprengköpfe haben die Atommächte eingelagert. Die Zahl der einsatzfähigen Atomwaffen nimmt sogar weiter zu.
Im Jahr 2017 wurde der Atomwaffenverbotsvertrag von der UNO angenommen. Die internationale Kampagne gegen Nuklearwaffen ICAN wurde im selben Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Die Schweiz war an der Ausarbeitung des Atomwaffenvertrags dabei, doch sie unterschrieb nicht. Nun wird der Bundesrat mit einer heute eingereichten Volksinitiative dazu aufgefordert, den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterschreiben.
Atombombenpläne
Die Schweiz war schon immer zurückhaltend, wenn es um die Ächtung von Atomwaffen ging. Den Atomwaffensperrvertrag, der die Verbreitung von Kernwaffen verbietet und die Verpflichtung zur Abrüstung beinhaltet, setzte die Schweiz erst 1977 in Kraft, acht Jahre nach der Unterzeichnung. Der Grund: Der Bundesrat verfolgte bis 1988 Pläne, Atombomben für die Schweizer Armee zu beschaffen.
Anfang der 60er-Jahre hat man geplant, ein Atomwaffenarsenal von insgesamt 300 Atomsprengköpfen zu entwickeln.
Das Schweizer Kernwaffenprogramm war nur teilweise öffentlich bekannt, wie Historiker Michael Fischer in einem Buch über die Schweizer Atombombenpläne schreibt.
Bis zu 300 Atombomben
«Anfang der 60er-Jahre hat man geplant, ein Atomwaffenarsenal von insgesamt 300 Atomsprengköpfen zu entwickeln» sagt Michael Fischer. «Für den Aufbau des Arsenals von etwa 300 Sprengköpfen hat man mit 25 bis 30 Jahren gerechnet.»
1958 machte der Bundesrat dann eine Erklärung, die weltweit Beachtung fand: «In Übereinstimmung mit unserer jahrhundertealten Tradition der Wehrhaftigkeit ist der Bundesrat deshalb der Ansicht, dass der Armee zur Bewahrung unserer Unabhängigkeit und zum Schutze unserer Neutralität die wirksamsten Waffen gegeben werden müssen. Dazu gehören die Atomwaffen.»
Schweizer Reaktor erbrütete Plutonium
Eine zentrale Rolle im Schweizer Atombombenprogramm spielte der Forschungsreaktor Diorit am Paul-Scherrer-Institut in Würenlingen. Hier wurden 20 Kilogramm Plutonium «erbrütet». Für die Armee war es eine Art Kriegsreserve zur möglichen späteren Herstellung von Atomsprengköpfen.
Erst vor rund 10 Jahren wurde das Plutonium in Pulverform am Paul-Scherrer-Institut abtransportiert. Im Jahr 2014 hatte der Bundesrat entschieden, das Plutonium an die USA abzugeben. «Die USA hatten sich anerboten, das Plutonium zu übernehmen», erklärt Historiker Michael Fischer. «Die Schweiz hatte keine Verwendung mehr für das Material, und so wurde es möglich, dass die Schweiz das Material in die USA transportieren konnte.»
Mirage für den Atombombenabwurf
Eine wichtige Rolle im Atombombenprogramm spielte auch die Beschaffung des Mirage-Kampfjets in den 1960er-Jahren. Ein Protokoll der Landesverteidigungskommission von 1957 zeigt, wie der damalige Kommandant der Fliegertruppen, Etienne Primault, die Mirage als möglichen Atomwaffenträger sah: «Wenn man ein Flugzeug hätte wie beispielsweise die Mirage, die fähig ist, mit Atombomben bis nach Moskau zu fliegen, so könnte man sich einen Einsatz auch im Feindesland vorstellen», sagte er.
Nukleare Bomben kein Thema mehr
Mit der Inkraftsetzung des Atomsperrvertrags wurden die Schweizer Atombombenpläne beerdigt. Armeebefürworter und Gegner sind sich heute einig: Trotz veränderter Sicherheitslage in Europa ist eine Atombombe für die Schweiz kein Thema mehr.
«Heute kann ich mir nicht vorstellen, dass irgendjemand die Idee haben könnte, die Schweiz atomar zu bewaffnen», sagt der Friedensaktivist Josef Lang, Vorstandsmitglied der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee. Ähnlich sieht es der Urner FDP-Ständerat und Oberst Josef Dittli: «Das ist überhaupt kein Thema. Die Schweiz ist beim Atomwaffensperrvertrag dabei und bringt sich dort auch ein.»
Wie nahe die Schweiz am Bau einer eigenen Atombombe war, bleibt umstritten. Wahrscheinlich wollte der Bundesrat im Kalten Krieg vor allem demonstrieren, dass die Schweiz grundsätzlich in der Lage wäre, eine nukleare Waffe in kurzer Zeit zu entwickeln.