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Besuchsrecht nach Trennung Das Kind vorenthalten: «Neuer Straftatbestand wohl ohne Folgen»

Eltern sollen künftig bestraft werden, wenn sie dem Ex-Partner oder der Ex-Partnerin den Kontakt zu den Kindern verweigern. Der Ständerat hat letzte Woche einen entsprechenden Vorstoss angenommen. Der Bundesrat muss nun einen konkreten Vorschlag machen. Laut Regina E. Aebi-Müller, Professorin für Privatrecht an der Universität Luzern, hätte dieser neue Straftatbestand jedoch kaum praktische Folgen. Sie empfiehlt andere Wege.

Regina E. Aebi-Müller

Professorin für Privatrecht

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Regina E. Aebi-Müller ist Professorin für Privatrecht und Privatrechtsvergleichung an der Universität Luzern. Sie forscht und lehrt schwerpunktmässig im Familien- und Erbrecht sowie im Personenrecht und im Medizin- und Sportrecht. Sie ist ausserdem Co-Leiterin der Fachanwaltsausbildung Familienrecht.

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SRF News: Welche Folgen hätte dieser neue Straftatbestand?

Regina E. Aebi-Müller: Wenn ich es ganz simpel formuliere: Eigentlich gar keine. Fälle, in denen das Besuchsrecht oder das Ferienrecht nicht wahrgenommen werden kann, können schon heute mit einer Strafdrohung versehen werden – über die Strafnorm «Ungehorsam gegen eine amtliche Verfügung». Neu wäre also vor allem, dass es im Strafgesetzbuch besser sichtbar wäre.

Kind hält Hand eines Erwachsenen auf Gehweg.
Legende: Wenn der obhutsberechtigte Elternteil dem oder der Ex verweigert, die Kinder zu sehen, lässt sich das schon heute sanktionieren. Keystone/AP/MARTIN MEISSNER (27.01.2009)

Wird diese bestehende Strafnorm tatsächlich angewendet beim Besuchsrecht von Kindern?

Ja, es gibt durchaus Urteile, wo das mindestens verlangt wird. Ob dann tatsächlich eine Strafe verhängt wird, ist eine andere Frage. Viele Aspekte müssen dazu geprüft werden: War das Kind krank? Weigert sich ein älteres Kind selber? Stehen Missbrauchsvorwürfe im Raum? Manchmal gibt es gute Gründe, wieso das Besuchsrecht nicht ausgeübt werden kann. Das alles muss geklärt sein, bevor Strafen ausgesprochen werden.

Ich habe Bedenken, ob das Strafrecht der richtige Weg ist.

Sie halten den neuen Straftatbestand also für Symbolpolitik?

Ich befürchte, dass das in den Fällen, in denen sich ein Elternteil wirklich weigert, wenig hilft. In solchen Konfliktsituationen ist der obhutsberechtigte Elternteil für rationale Argumente gar nicht mehr zugänglich. Zudem müsste man die Strafen dann auch tatsächlich vollstrecken können.

Sinnvoller wäre in vielen Fällen eine familienpsychologische Beratung.

Haftstrafen sind unrealistisch. Geldstrafen sind problematisch, auch weil sie indirekt das Kind treffen können: «Schau, jetzt können wir weniger Essen kaufen, weil der Papi dafür gesorgt hat, dass ich eine Busse zahlen muss!» Es ist ganz schrecklich, wenn ein Elternteil keinen Kontakt mehr zum Kind pflegen kann. Aber man muss sich überlegen, welche Instrumente zielführend sind. Und ich habe Bedenken, dass das Strafrecht der richtige Weg ist.

Was raten Sie Eltern, die auf eine totale Blockade stossen?

Als Juristin müsste ich raten: Suchen Sie sich einen Anwalt. In vielen Fällen ist das aber nicht zielführend. Eine Realvollstreckung, bei der das Kind mit der Polizei abgeholt würde, ist extrem schwierig. Sinnvoller wäre in vielen Fällen eine familienpsychologische Beratung oder Mediation. Heute können Eltern über die Zivilprozessordnung nur zu Gesprächen aufgefordert, aber nicht dazu verpflichtet werden. In einigen Kantonen gibt es Pilotprojekte, wo versucht wird, solche Situationen möglichst früh aufzufangen.

Nun muss der Bundesrat einen Vorschlag ausarbeiten. Womit rechnen Sie?

Ähnliche Diskussionen gab es bereits, nämlich bei der Entziehung von Unmündigen. Ich vermute, dass es erneut scheitern wird, sobald sich das Parlament eingehender mit den Konsequenzen eines solchen Straftatbestandes befasst. Die Ausgangslage hat sich seit damals nicht verändert.

Das Gespräch führte Sandro Della Torre.

SRF 4 News, 15.12.2025, 7:18 Uhr ; 

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