Ein Schweizer soll versucht haben, seine ehemalige Geliebte mit einer Handgranate zu töten. Die Frau überlebte nur durch Glück. Das Bundesstrafgericht hat ihn am Freitag wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 17.5 Jahren verurteilt – die Strafe wird zugunsten einer stationären Massnahme aufgeschoben. SRF-Gerichtskorrespondentin Sibilla Bondolfi erklärt, was an dem Fall typisch ist.
Was macht den Fall typisch für einen (versuchten) Femizid?
Als die Frau ihre aussereheliche Affäre beendete, wollte der Liebhaber das nicht akzeptieren: Er bedrängte seine ehemalige Geliebte, stellte ihr nach, überwachte sie mit einem Peilsender und verriet ihrem Mann den bisher geheim gebliebenen Seitensprung. Dieses Verhalten ist typisch: Häufig kommt es im Vorfeld eines Femizids zu häuslicher Gewalt, Stalking und Eifersuchtsverhalten. Auch ein problematischer Alkoholkonsum und weitere Delikte sind nicht selten. Dass die Gewalt nach einer Trennung eskaliert, ist ebenfalls typisch.
Was sind die Risikofaktoren?
Nicht jeder Mann, der seine Frau beschimpft oder schlägt, bringt sie auch um. Wer eigenes Gewaltverhalten als problematisch erkennt und freiwillig in eine Beratung geht, kann sein Verhalten ändern und gehört somit nicht zwingend zur Risikogruppe. Wer hingegen uneinsichtig ist und ein ausgeprägtes Kontroll- und Eifersuchtsverhalten zeigt, gilt als gefährlich. Weitere von der Forschung belegte Risikofaktoren sind akute Krisen – etwa wenn die Frau sich trennen will –, vorherige Gewalt, Suizid- und Todesdrohungen, Zugang zu Waffen sowie Alkohol- und Drogenmissbrauch.
Welche Rolle spielt der Umgang mit Waffen?
Im konkreten Fall hat der Mann den Umgang mit einer Handgranate in der Armee gelernt. Wie alle Schweizer war er als junger Mann wehrpflichtig. Weil Schusswaffen laut einer Studie des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann eine zentrale Rolle bei Tötungsdelikten im häuslichen Bereich spielen, hat das Parlament kürzlich beschlossen, Taschenmunition den Armeeangehörigen nicht mehr nach Hause zu geben.
Funktionieren die Bedrohungsmanagements der Kantone?
Die meisten Kantone haben inzwischen ein sogenanntes Bedrohungsmanagement eingeführt. Es soll Situationen entschärfen, indem Gefährder direkt angesprochen werden. Im konkreten Fall führte dies jedoch zur Eskalation: Der Mann fühlte sich provoziert und fasste den Entschluss, seine Ex-Geliebte zu töten. Laut Experten kommt das in seltenen Fällen vor, ist aber nicht die Regel. Meistens seien Betroffene erleichtert, dass jemand ihre Not erkenne und das Gespräch suche. Die Programme sind allerdings noch relativ jung – für eine abschliessende Bewertung ist es noch zu früh.