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Kritik an «Verkehr 45» Städte sehen ihre Anliegen zu wenig berücksichtigt

Das ETH-Gutachten folgt einer Ausbau-Logik. Die Städte verlangen mehr Gewicht für Städtebau und Klimaschutz.

Kostenüberschreitungen beim Bahn-Ausbau und ein Nein des Stimmvolks zu Autobahn-Projekten: Bundesrat Albert Rösti musste seine Verkehrspolitik neu justieren. Er hat dafür ein ETH-Gutachten in Auftrag gegeben, das die Verkehrsprojekte priorisieren sollte: Wo lässt sich mit begrenzten Mitteln am effizientesten ausbauen?

Herausgekommen ist eine Prioritäten-Liste mit einigen Überraschungen (der Grimsel-Tunnel etwa geniesst hohe Priorität) – und viel Kritik an den Erwägungen von ETH-Professor Ulrich Weidmann. Vor allem die Städte kritisieren, ihre Anliegen kämen mit den neuen Prioritäten systematisch unter die Räder.

Stadt Bern will «Stadtreparatur»

Zum Beispiel im Berner Ostring-Quartier. Über die A6 rauscht der Verkehr hier von der Bundesstadt Richtung Thun und zurück. Wenige Meter neben Wohnhäusern vorbei. «Dieses Quartier ist total zerschnitten», sagt SP-Stadtpräsidentin Marieke Kruit. Es gehe darum, wieder räumliche Qualität zu schaffen.

«Die Menschen müssen da ja auch wohnen und leben können, das ist nicht nur eine Verkehrsfläche», so die Stadtpräsidentin. Stadt und Kanton Bern wollen die Autobahn deshalb in einen Tunnel verlegen und die frei gewordene Fläche anders nutzen.

Autobahn, im Hintergrund Häuser.
Legende: Bei der Autobahnausfahrt Bern-Ostring schützen Lärmschutzwände Bewohnerinnen und Bewohner der nahgelegenen Häuser vor dem Lärm der Autobahn A6 in Bern. Keystone/ Gaetan Bally

In der Neu-Priorisierung aber, die ETH-Professor Weidmann vorgenommen hat, erhält das Projekt in Bern keine hohe Priorität. «Das ist ein Beispiel, wo mit betrieblich-technischen Massnahmen mehr aus den bestehenden Kapazitäten herausgeholt werden kann», sagt Weidmann auf Anfrage. Er denkt etwa an eine zeitweise Nutzung des Pannenstreifens. 

Weidmann: Städtebau berücksichtigt

Die Unzufriedenheit in Bern ist symptomatisch. Auch der Städteverband kritisiert die Priorisierung von Weidmann. Städtische Anliegen kämen generell zu kurz, sagt Verbandspräsident Hanspeter Hilfiker, FDP-Stadtpräsident von Aarau.

«Wir agieren ja nicht nur in diesen Verkehrsthemen, es gibt Netto-Null-Ziele, wir versuchen die Siedlungen zu verdichten, das hat immer mit verschiedenen Komponenten zu tun.» Auch mit der Infrastruktur. «Komponenten» wie Klimaschutz oder Stadtentwicklung seien vor allem für Städte wichtig. Und sie seien systematisch zu wenig berücksichtigt worden, so Hilfiker. Die Städte fordern, den Verkehr nicht nur als Kapazitätsfrage zu betrachten, sondern als gesellschaftliche Herausforderung. Und als steuerbare Grösse.

Ich hätte eher aus dem ländlichen oder alpinen Raum Kritik erwartet.
Autor: Ulrich Weidmann ETH-Professor

Ulrich Weidmann entgegnet, er habe städtebauliche Aspekte sehr wohl berücksichtigt: «Es ist eines von mehreren Kriterien.» Aber es seien eben auch verkehrliche Aspekte angeschaut worden: Netz-Gestaltung, Sicherheit, Stabilität im Betrieb. Deswegen könne er die Kritik inhaltlich nicht nachvollziehen. «Ich hätte eher aus dem ländlichen oder alpinen Raum Kritik erwartet.»

Gewichtung ist unklar

Welche Aspekte im Bericht genau wie stark gewichtet wurden, ist allerdings noch nicht bekannt. Diese Informationen sollen erst Anfang 2026 veröffentlicht werden.

Der Bericht der ETH Zürich fragt: Wenn die Schweiz mit begrenztem Budget ausbaut, wie am effizientesten? Ergibt eine neue Spur mehr Sinn oder ein zusätzliches Gleis? Die Städte stellen jetzt die Frage: Müssen wir überhaupt ausbauen? Oder gäbe es nicht auch Alternativen? Könnte man den Verkehr besser verteilen? Das Verkehrswachstum bremsen?

2026 soll der ETH-Bericht in eine politische Vorlage gegossen werden. Und dann gehen die Diskussion um die Prioritäten im Parlament weiter.

Echo der Zeit, 21.11.25, 18 Uhr

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