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Unternehmer klagt wegen Ungereimtheiten bei Behörden an
Aus Kassensturz vom 12.03.2024.
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Langwierige Bauverfahren Behördenwillkür? Berner Regierungsstatthalter in der Kritik

Ein Unternehmer klagt an: Wegen Ungereimtheiten bei Behördenentscheiden habe er fast sein ganzes Vermögen verloren. Im Zentrum der Kritik: Der Regierungsstatthalter Interlaken-Oberhasli.

In der Kritik steht vor allem der Regierungsstatthalter Interlaken-Oberhasli. «Die Behörden haben alles versucht, um mein Projekt zu stoppen», sagt Ruben Anderegg aus Meiringen.

Was ist passiert?

Auf dem Brünigpass direkt an der Hauptstrasse wollte Anderegg sein altes Personalhaus für Hotelangestellte umnutzen. Das Projekt: Die verstaubten Zimmer mit Bad renovieren und sie dann für Touristen anbieten. Einfach, aber modern. Das Spezielle daran: Kein Personal vor Ort. Deshalb auch kein Hotel. «Die Gäste konnten beim Eingang selbständig an einem Automaten ein- und auschecken.» Diese Unterkunft bot der Unternehmer bei Airbnb an.

Älteres Haus mit beigen Schindeln an der Passstrasse
Legende: Die ehemalige «Brünig Lodge» Die verstaubten Zimmer des Personalhauses auf dem Brünigpass wurden renoviert und auf Airbnb angeboten. SRF

Doch sein Projekt auf dem Brünig habe es von Anfang an schwer gehabt. Die Leute im Dorf seien misstrauisch gewesen, auch die Behörden. Es folgte ein jahrelanger Kampf mit der Bauverwaltung der Gemeinde Meiringen und dem Regierungsstatthalteramt Interlaken-Oberhasli. Insgesamt reichte Ruben Anderegg drei ordentliche Baugesuche ein. Es kam immer wieder zu Verzögerungen.

Das wäre mir nie im Traum in den Sinn gekommen, dass dies so ein Theater geben kann.
Autor: Ruben Anderegg Unternehmer

Der Regierungsstatthalter schrieb 24 Verfügungen. Dann der Negativbescheid: Keine Bau-Bewilligung. Ruben Anderegg ignorierte den Entscheid, baute weiter und vermietete seine Zimmer. Als selbständiger Unternehmer sei es ums Überleben gegangen. Die Behörden siegelten die Unterkunft, Gemeinde und Regierungsstatthalter erstatteten Strafanzeige. Ruben Anderegg erhielt eine Busse von knapp 35'000 Franken. Doch der Unternehmer kämpfte weiter.

Nach viereinhalb Jahren bekam er für sein Projekt in leicht abgeänderter Form recht, von der Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern. «Das war eine echte Genugtuung», sagt Anderegg heute. Nun hätte er seine «Brünig Lodge» wieder öffnen und weiterbetreiben können. Doch wegen des langen Rechtsstreits konnte er die Hypothek nicht mehr bezahlen und musste die Lodge verkaufen.

Ungereimtheiten

«Da lief einiges schief, sowohl auf Seite der Behörden, als auch beim Gesuchsteller», sagt der auf Baurecht spezialisierte Rechtsanwalt, David Inauen. «Viereinhalb Jahre für eine einfache Umnutzung innerhalb des Gebäudes, an der Grenze der Bewilligungspflicht, ist definitiv zu lang.»

Zudem habe der Regierungsstatthalter in mehreren Punkten seine Kompetenzen überschritten: Einerseits habe er baupolizeiliche Aufgaben wahrgenommen, obwohl diese in erster Linie Aufgabe der Gemeinde gewesen wären. «Andererseits hat er einen informellen Augenschein gemacht, diesen protokolliert und auch in seinem Entscheid erwähnt». Das dürfe er nicht tun, sagt Baurechtsexperte Inauen. Es zeige, dass der Regierungsstatthalter als Aufsichtsbehörde gegenüber Anderegg nicht mehr neutral gewesen sei.

Teil der Schlossanlage Interlaken. Grosses Haus mit grünen Fensterläden.
Legende: Regierungsstatthalteramt Interlaken-Oberhasli Das Regierungsstatthalteramt Interlaken-Oberhasli hat seinen Sitz im Schloss Interlaken. Der Verwaltungskreis umfasst 28 Gemeinden. Seit 2014 führt Martin Künzi das Regierungsstatthalteramt. SRF

Regierungsstatthalter Martin Künzi bestreitet auf Anfrage, seine Kompetenzen überschritten zu haben. Eine entsprechende Beschwerde der Bauherrschaft habe die Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern als unbegründet abgewiesen. Er betont weiter, er behandle alle Bürgerinnen und Bürger gleich. Bezüglich der langen Dauer sei zu bemerken, dass es sich um drei verschiedene, voneinander unabhängige Baubewilligungsverfahren gehandelt habe: «Die Verfahrensdauer wurde grösstenteils durch die Bauherrschaft verursacht», so Künzi.

Das sagt der Regierungsstatthalter

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  1. SRF Investigativ: Ein Baurechtsexperte kritisiert die Dauer (4 ½ Jahre) und auch die Komplexität für eine einfache Umnutzung innerhalb eines Gebäudes, welches an der Grenze zur Bewilligungspflicht sei. Was sagen Sie dazu?

    Martin Künzi: Es handelt sich nicht um ein sondern um drei verschiedene, voneinander unabhängige Baubewilligungsverfahren, die je rund ein Jahr dauerten. Die Baudirektion des Kantons Bern bestätigte in zwei Entscheiden die Beurteilung des Regierungsstatthalteramts, dass der Umbau und die Umnutzung des ausserhalb der Bauzone liegenden Wohnhauses mit Bazar zu einem Gastgewerbebetrieb bzw.  zu touristischer Vermietung von Zimmern baubewilligungspflichtig war. Die Verfahrensdauer wurde grösstenteils durch die Bauherrschaft verursacht.
  2. SRF Investigativ: Laut Baurechtsexperten habe der Regierungsstatthalter teilweise baupolizeiliche Aufgaben wahrgenommen, obwohl das eigentlich in erster Linie Aufgabe der Gemeinde wäre. Zudem haben Sie einen informellen Augenschein vor Ort gemacht. Was sagen Sie zum Vorwurf der Kompetenzüberschreitung?

    Martin Künzi: Die Baudirektion des Kantons Bern hat diese von der Bauherrschaft bereits in ihrer ersten Baubeschwerde erhobenen Vorwürfe als unbegründet abgewiesen. Sie verneinte eine Kompetenzüberschreitung sowohl bei der im Beisein des Bauinspektors des Regierungsstatthalteramts durch die Gemeindebaupolizeibehörde Meiringen durchgeführte Baukontrolle als auch beim informellen Augenschein des Regierungsstatthalters.
  3. SRF Investigativ: In den Akten (Gesamtbauentscheid vom 6. Mai 2019) steht für Herr Anderegg u.a. die Bezeichnung «unbelehrbar». Das lasse die gewünschte Neutralität der Behörde vermissen, sagt der Baurechtsexperte. Was sagen Sie dazu?

    Martin Künzi: Die Bezeichnung bezieht sich auf die aktenkundige Tatsache, dass die Bauherrschaft trotz mehrfacher Aufforderung durch die Behörden ohne Baubewilligung weiterbaute und die neue Nutzung aufnahm, bevor  die dafür erforderlichen Bewilligungen erteilt waren.

Ruben Anderegg hat den Rechtsstreit gewonnen. Doch der Preis war hoch, er verlor nicht nur die «Brünig Lodge»: «Ich war gezwungen, auch das Familienhaus zu verkaufen, um finanzielle Mittel freizumachen, um den Kampf zu Ende zu führen». Anderegg erwägt eine Schadenersatzforderung beim Kanton Bern.

Kassensturz, 12.03.2024, 21.05 Uhr

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