Stellen Sie sich vor, Sie würden plötzlich von starken Kopfschmerzen geplagt. Mit einem Schmerzmittel würden Sie sich schnell besser fühlen, doch Ihre Hausapotheke ist leer und die nächste Drogerie schliesst in fünf Minuten.
Marion Tschan, medizinische Praxisassistentin vom Vitasphère Gesundheitszentrum in Oensingen, kennt solche Fälle.
«Wenn jemand zum Beispiel eine Schmerztablette am Telefon bestellt, kann ich diese im Medicomaten bereitlegen, sodass das Medikament auch ausserhalb unserer Öffnungszeiten abgeholt werden kann.» Die Bestellung geht dann runter in den Keller des Gesundheitszentrums.
Seit drei Jahren automatisch im Einsatz
Dort, im Untergeschoss, befindet sich ein vollautomatischer Roboter, der die Schmerztabletten nach oben zu Marion Tschan schickt. Die medizinische Praxisassistentin kontrolliert dann von Hand die Arbeit des Roboters – also, ob es sich um das richtige Medikament, die richtige Menge und die richtige Dosierung handelt.
Wenn alles stimmt, leitet der Roboter die Medikamente weiter an den Medicomaten. Das Gerät steht seit drei Jahren im Eingangsbereich des Gesundheitszentrums und ähnelt einem Bancomaten. Dem Patienten oder der Patientin wird ein QR-Code zugesandt, mit dem er oder sie die Ware im Medicomaten abholen kann, auch ausserhalb der Öffnungszeiten.
Rezept oder QR-Code sind Pflicht
Es ist auch möglich, rezeptpflichtige Medikamente am Automaten abzuholen. Aber nur, wenn das Rezept vorgängig durch das Personal überprüft werden kann. Der Medicomat funktioniert also anders als ein Getränkeautomat mit Softdrinks, bei dem man grundsätzlich den gesamten Lagerbestand aufkaufen könnte.
Der Medicomat in Oensingen ist der erste und einzige seiner Art in der Schweiz. Hinter dem Pionierprojekt steht Andreas Baumann, Verwaltungsratspräsident des Vitasphère Gesundheitszentrums. «Ich dachte mir, es muss doch analog zum Bancomaten auch möglich sein, einen Medicomaten zu bauen.»
Wenn die Leute ein nettes Gesicht hinter der Theke sehen, dann gehen sie lieber dorthin als zum Medicomaten.
Das Projekt entstand während der Coronapandemie, sagt Baumann. Damals war der Medicomat besonders nützlich, weil Abstand gefragt war und es galt, den direkten Kundenkontakt möglichst zu beschränken. Doch seither habe sich vieles wieder verändert. «Wenn die Leute ein nettes Gesicht hinter der Theke sehen, dann gehen sie lieber dorthin als zum Medicomaten. Heute wird das Gerät weniger benutzt, als wir es damals vermutet haben.»
Nur zehn Prozent via Medicomat
Nur zehn Prozent aller Kundinnen und Kunden holen sich ihre Tabletten aus dem Medicomaten. Dem gegenüber stehen die Kosten für den fertigen Automaten. Sie liegen – inklusive des angeschlossenen Roboters – laut Andreas Baumann in einem mittleren sechsstelligen Bereich.
Ist der Medicomat also eine Fehlinvestition? Nein, findet Baumann. Er ist überzeugt, dass sich in Zukunft die automatisierte Medikamentenausgabe durchsetzen wird. «Die Frage ist, ob wir mit der Digitalisierung oder dem Einsatz von künstlicher Intelligenz einen Schritt weitergehen und den Abgleich zwischen Bestellung und Rezept automatisch machen können.»
Doch bis es so weit ist, kontrollieren noch Menschen die Rezepte und die Medikamentenausgaben für den Medicomaten. Dieser beweist aber bereits jetzt, dass die automatische Medikamentenausgabe funktioniert.