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Patronen für daheim Taschenmunition: Ein altes Reizthema neu aufgerollt

Sollen Soldaten ihre Munition wieder mit nach Hause nehmen? Das fordert die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats. Auch wenn die Motion noch diverse Hürden passieren muss – schon jetzt sorgt die «Taschenmunition» für viel Diskussion. Warum? Und wie sieht eigentlich die Faktenlage aus?

Es ist so eine Schweizer Eigenheit: Wer im Tram oder Bus nach Hause fährt, sitzt manchmal neben einem Sturmgewehr. Schweizer Soldatinnen und Soldaten dürfen ihre Schusswaffe mit nach Hause nehmen - aber nicht die Munition dafür. Die sicherheitspolitische Kommission des Ständerats will das ändern. Mit einer Mehrheit von 7 zu 5 Stimmen hat sie entschieden: Der Bundesrat müsse alles vorbereiten, um den Soldaten wieder Patronen mit nach Hause zu geben. Grund sei die veränderte Sicherheitslage in Europa.

Nicht erst seit heute ein Reizthema

Abgeschafft hat das Parlament die sogenannte Taschenmunition – eine Blechbüchse mit 50 Patronen für daheim – im Jahr 2007. Das setzte damals eine Mitte-links-Allianz durch.

Regal mit Militärgewehr und Munition.
Legende: Die sogenannte Taschenmunition: 50 Patronen in einer Blechbüchse. Auch zu Hause musste die Munition getrennt von der Schusswaffe aufbewahrt werden. Keystone / Gaetan Bally

Der Entscheidung ging damals eine emotionale Diskussion voraus. Zuvor war es mit Armeewaffen mehrmals zu Tötungsdelikten, Amoktaten und Suiziden gekommen. Man diskutierte über die Entwaffnung der Milizsoldaten, über die Verbannung der Munition zurück in die Kaserne. Für die Linke war das Ergebnis ein Erfolg.

Es ist schwierig zu sagen, ob die Munition der Grund für die Änderung war.
Autor: Nora Markwalder Professorin für Kriminologie an der Universität St. Gallen

Inzwischen hat der Wind aber gedreht, die angespannte Sicherheitslage spürt man auch im Parlament. In der Frage um die Taschenmunition drängt die Ständeratskommission auf eine Kehrtwende.

Taschenmunition und Tötungsdelikte

Die Gegner der Motion befürchten, dass mit dem Heimvorrat an Munition Tötungsdelikte und Suizide zunehmen. Die Kriminologin Nora Markwalder sagt dazu: Die Tötungen mit Schusswaffen seien in den letzten 30 Jahren zurückgegangen. Die Zahl der verfügbaren Schusswaffen ebenfalls. Aber: «Es ist schwierig zu sagen, ob die Munition der Grund für diese Änderung war.» Der Rückgang habe sich schon abgezeichnet, bevor die Armee die Taschenmunition einzog.

Tötungsdelikte mit Armeewaffen: Zwei Beispiele

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Immer wieder gab es in der Schweiz Tötungsdelikte mit Armeewaffen. Zwei Beispiele:

  • Im Februar 2002 schoss ein 25-jähriger Mann in einem Sexkino in Lausanne ins Publikum. Zwei Menschen wurden getötet, zwei weitere schwer verletzt.
  • Im April 2007 kam es in Baden zu einer Amoktat, bei der der Schütze einen Menschen tötete und vier weitere zum Teil schwer verletzte. Er schoss dabei mit seiner Dienstwaffe. Die Tat fiel mitten in die Parlamentsdebatte um die Taschenmunition.

Anders gesagt: Wenn mehr Schusswaffen verfügbar sind, gerade im häuslichen Bereich, dann führt das zu mehr Tötungsdelikten. Davon sind besonders oft Frauen betroffen. Was genau die Munition für einen Unterschied macht – das ist wissenschaftlich aber kaum festzustellen. Ganz ähnlich sei es bei den Suiziden mit Schusswaffen, so Nora Markwalder.

Bedrohungsszenarien

Eine felsenfeste Faktenlage zur Taschenmunition gibt es aus kriminologischer Sicht also nicht. Bleibt die Frage: Macht die Taschenmunition die Schweiz militärisch sicherer – oder geht es hier vor allem um Symbolik?

Soldat in Uniform hält Taschenmunition und schaut in Rucksack.
Legende: Ein Soldat verstaut die Taschenmunition in seinem Rucksack. November 1951. Keystone / Photopress-Archiv

«In einer Krise zählt jede Stunde und zentrale Munitionslager sind sehr anfällig», erklärt FDP-Ständerat Josef Dittli. Die Gegnerinnen der Motion widersprechen. SP-Ständerätin Franziska Roth sagt etwa: Dass fremde Soldaten auf Schweizer Boden schiessen, sei ein absolut unrealistisches Szenario.

Das sagt der Bundesrat

Der Bundesrat stuft einen gross angelegten Angriff durch eine feindliche Armee als relativ unwahrscheinlich ein. Das geht aus dem jährlichen Bericht zur Bedrohungslage hervor.

So hält es der Bundesrat in der momentanen Situation auch nicht für gerechtfertigt, dass Soldatinnen einen Teil ihrer Munition zu Hause lagern. Er hat sich bereits gegen die Rückkehr der Taschenmunition ausgesprochen.

SRF 4 News, News Plus, 21.11.2025, 17:15 Uhr ; 

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