Die City Card sollte Sans-Papiers eine offizielle Ausweismöglichkeit bieten und ihnen damit den Zugang zu alltäglichen Dienstleistungen von Behörden, zur Notfallaufnahme, zu Handyabos, Mietverträgen oder Kitas erleichtern. Als städtische Identitätskarte würde sie es ermöglichen, sich innerhalb der Stadtgrenzen auszuweisen.
Obwohl der Stadtrat die prekäre Lage der geschätzt 250 bis 500 Sans-Papiers in St. Gallen anerkennt, sieht er angesichts hoher Kosten und fehlender Erfahrungen derzeit vom Projekt ab.
Linke Fraktionen sind enttäuscht
Die SP, Juso, PFG sowie die Grünen und Jungen Grünen kritisieren den Stadtrat. «Der Verweis auf ‹zu hohe Kosten› für weitere Abklärungen zeigt aus Sicht der Fraktionen vor allem eins: Es fehlt der politische Wille, die Situation der Sans-Papiers ernsthaft zu analysieren und zu verbessern», heisst es im Communiqué.
Der Stadtrat präsentiert eine Begründung, ohne dass aufgezeigt wird, wie eine Einführung hätte ausgestaltet werden können.
SP-Stadtparlamentarierin Jenny Heeb, die das Anliegen anstiess, sagt: «Der Stadtrat präsentiert eine Begründung, weshalb auf eine City Card verzichtet werden soll, ohne dass ernsthaft aufgezeigt wird, wie eine Einführung hätte ausgestaltet werden können.»
Bürgerliche Parlamentsmitglieder hingegen sprechen von einer «gut gemeinten Idee ohne Nutzen». Ausserdem irritiert sie die Idee, für Personen, die sich illegal in der Schweiz aufhalten, eine städtische Identitätskarte einzuführen.
Zürich und Bern als Vorreiter
Derzeit laufen in Zürich die Vorbereitungen für die «Züri City Card». Nachdem das Stadtzürcher Stimmvolk im Mai 2022 mit 51.7 Prozent Ja zum Rahmenkredit von 3.2 Millionen Franken sagte, treibt die Stadt das Projekt nun voran. Die «Züri City Card» orientiert sich dabei am Modell der New Yorker «IDNYC»; der Aufenthaltsstatus soll auf dem Ausweis nicht ersichtlich sein.
Auch in Bern schreiten die Arbeiten zur Einführung einer City Card voran. Die gesetzlichen Grundlagen sollen noch dieses Jahr ausgearbeitet werden. Anschliessend folgt gemäss Umsetzungskonzept bis Mitte 2026 die Kreditvorlage für das Parlament, deren Umfang auf rund 2.1 Millionen Franken geschätzt wird.
Bestrebungen in anderen Städten
Neben St. Gallen sieht auch Winterthur aktuell keinen Bedarf und begründet dies damit, dass viele Dienstleistungen bereits ohne Identitätsnachweis zugänglich seien.
Auch in Luzern verzichtet der Stadtrat vorderhand auf die Einführung. Für die Stadt sei es aktuell nicht leistbar und zielführend, sich «auf ein solch umfangreiches und kostspieliges Projekt einzulassen». Und Biel wartet mit weiteren Schritten, bis Zürcher Erfahrungen vorliegen.
Anders in La Chaux-de-Fonds: Die Stadt im Kanton Neuenburg hat im März 2024 die Testphase der «Carte Citoyenne» gestartet. Noch im Verlauf dieses Jahres soll anhand einer Auswertung der Testphase über das weitere Vorgehen entschieden werden.
Wie geht es in St. Gallen weiter?
St. Gallen will die Idee einer City Card erst wieder prüfen, sobald die Erfahrungen von anderen Städten vorliegen und die finanzielle Lage es erlaubt. Vorläufig ist das Projekt jedoch kein Thema mehr. Eine Umsetzung würde – ähnlich wie in Zürich und Bern – zudem eine neue gesetzliche Grundlage erfordern.