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Vierfachmord Rupperswil AG 10 Jahre nach dem Vierfachmord und die Narben, die übrig bleiben

Am 21. Dezember 2015 wurden im aargauischen Rupperswil vier Menschen umgebracht. Die Schweiz stand unter Schock.

Die Tat: Der Vierfachmord von Rupperswil gilt als eines der schlimmsten Gewaltverbrechen in der jüngeren Schweizer Geschichte. Am 21. Dezember 2015 wurde eine 48-jährige Mutter, ihre Söhne im Alter von 13 und 19 Jahren, sowie die 21-jährige Freundin des älteren Sohnes getötet. Der Täter gelangte mittels einer List ins Haus der Familie. Er bedrohte den jüngeren Sohn und zwang die Mutter, den älteren Sohn und seine Freundin zu fesseln. Auch der jüngere Sohn wurde gefesselt. Anschliessend zwang er die Mutter, hohe Geldbeträge von der Bank abzuheben. Nach ihrer Rückkehr wurde sie gefesselt. Der Beschuldigte verging sich sexuell am jüngsten Sohn, tötete danach die vier Opfer und legte ein Feuer.

Rettungskräfte in Schutzanzügen neben Einsatzfahrzeug.
Legende: Was zuerst nach einem Brand aussah, entpuppte sich rasch als Tötungsdelikt. Die Feuerwehrmänner hätten das Erlebte intern verarbeitet, erzählt der Leiter des Einsatzes im Dok-Film «True Crime Schweiz» von SRF. Keystone/Patrick B. Krämer

Der Schock: Die ganze Schweiz stand unter Schock. Zwei Tage nach der Tat informierte die Aargauer Staatsanwaltschaft, dass sie von einem Tötungsdelikt ausgehe. Sie machte einen Zeugenaufruf. In der Region wurden Flugblätter verteilt. Darauf war die 48-jährige Frau zu sehen, wie sie kurz vor der Tat in einer Bankfiliale Geld abhebt. Rund 10'000 Franken und 1000 Euro. Im Februar setzten die Behörden eine Belohnung von 100'000 Franken für Hinweise aus.

Gesteck und Kranz mit weissen Blumen und Schleifen bei einer Gedenkstätte.
Legende: Der Vierfachmord habe auch weiteren Menschen das Leben gekostet, sagt Opferanwalt Markus Leimbacher im SRF-Dokfilm. Die Eltern der getöteten 48-jährigen Mutter seien beide vor Kummer gestorben, kurz nacheinander. «Das ganze soziale Umfeld der Eltern war von einem Tag auf dem anderen Tag verschwunden.» Keystone/Alexandra Wey

Die Ungewissheit: Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelten auf Hochtouren. «Sind es Zufallstäter, die das getan haben? War es jemand von hier? Wir waren uns unsicher», erinnert sich Rudolf Hediger, der ehemalige Gemeindeammann. «Der Zeugenaufruf war einer von mehreren Verfahrensschritten», sagt Markus Gisin, Chef der Aargauer Kriminalpolizei, im SRF-Dok True Crime Schweiz.

Ermittlungen: Vom Sprint zum Marathon

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Mann mit Bart in Anzug vor unscharfem Hintergrund.
Legende: Markus Gisin, Chef der Aargauer Kriminalpolizei, erzählt im SRF-Dok True Crime Schweiz, wie er die Ermittlungen erlebt hat. SRF

Meistens hat man bei den Ermittlungen nach wenigen Stunden oder Tagen Verdächtige gefunden. Ist dem nicht so, ändere die Polizei ihre Strategie, erklärt der Chef der Kriminalpolizei, Markus Gisin im SRF-Dok-Film. «Dann wechselt man vom sogenannten Ermittlungssprint in den Ermittlungsmarathon.» Das war auch in Rupperswil der Fall.

Es gab eine Sonderkommission mit 40 Ermittlern und Spezialistinnen im Einsatz. «Die Strafverfolgungsbehörden legen nicht offen, wie man genau den Täter ermittelt hat. Wir brauchen verschiedene Taktiken auch heute noch, um Täterschaften zu ermitteln», sagt Markus Gisin, Chef der Aargauer Kriminalpolizei, im SRF-Dok weiter.

Es gab viele Ermittlungsschritte, um die Täterschaft einzugrenzen. Die Ermittler setzten unter anderem auf die Massenauswertung von Handydaten. Mittels Antennensuchläufe fanden die Behörden heraus, welche Handys zu einem bestimmten Zeitpunkt am Tatort eingewählt waren.

Der Täter ist gefasst: Am 12. Mai 2016, fast fünf Monate nach der Tat, wird der Täter in einem Café in Aarau von einer Sondereinheit der Aargauer Kantonspolizei verhaftet. Mittels Fingerabdruck wurde der Mann eindeutig mit der Tat in Verbindung gebracht. Der 33-jährige in Rupperswil wohnhafte Schweizer gestand die Tat. «Die Zeit der Unsicherheit ist vorbei», sagte Markus Gisin, Chef der Aargauer Kriminalpolizei, damals an der Medienkonferenz.

Collage mit Kabelbindern, Klebeband, Pistole und Seil auf beige Hintergrund.
Legende: Kabelbinder und Klebeband, die der Täter in einem Rucksack hatte: Der Vierfachmörder hatte weitere Taten geplant. Er selber bestritt das vor Gericht. Kantonspolizei Aargau

Weitere Verbrechen verhindert: Die Polizei schnappte den Vierfachmörder im richtigen Moment: «Wir müssen davon ausgehen, dass der Täter weitere gleichgelagerte Delikte konkret geplant hatte und diese auch ausgeführt hätte. Das konnte mit der Festnahme noch rechtzeitig verhindert werden», sagte Markus Gisin, Chef der Aargauer Kriminalpolizei, damals.

Doppelleben des Vierfachmörders

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Personen versammeln sich mit Blumen und Kerzen vor einem Haus.
Legende: Kerzen vor dem Haus in Rupperswil. Die Anteilnahme damals war gross. Keystone/Walter Bieri

Der Vierfachmörder habe aus sexuellen und finanziellen Motiven gehandelt, befand die erste Instanz.

Der Maturand ging keiner geregelten Arbeit nach und hatte diverse Studiengänge abgebrochen. Seiner Familie gegenüber hatte er den Abschluss eines Geschichtsstudiums vorgetäuscht und gab vor, dass er als Doktorand an einer Universität arbeite.

Weil er Geld brauchte, hat er den Plan eines Raubmords entwickelt. Anschliessend hat sich dieser Plan mit seiner pädophilen Neigung vermischt. 

Pädophil und frustriert

«Es war eine pädophile Neigung da. Aber das allein erklärt diese Tat nicht», sagt der forensische Psychiater Josef Sachs, der ein psychiatrisches Gutachten zum Täter erstellt hat, im SRF-Dok «True Crime Schweiz».

«Er führte eine Art Doppelleben.» Er gab vor, erfolgreich zu sein, war aber auch frustriert, weil er nach der Matur nichts erreicht hatte, erklärt Josef Sachs weiter.

Null Empathie

Der Täter habe skrupellos, ohne Mitleid und Empathie gehandelt, sagte das Bezirksgericht in seinem Urteil 2018.

Zwei Gutachten von forensischen Psychiatern attestierten dem Mann eine dauerhafte Untherapierbarkeit.

Der Gerichtsprozess: Im März 2018 fand der Prozess vor dem Bezirksgericht Lenzburg statt. Über 60 Medienschaffende bei 35 Medienhäusern, auch aus dem Ausland, berichteten. Das Bezirksgericht Lenzburg verurteilte den Mann zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe. Zudem verhängte es die ordentliche Verwahrung. Täter und Staatsanwaltschaft zogen den Fall vors Aargauer Obergericht. Das bestätigte das Urteil der Vorinstanz. Der Täter wurde ordentlich und nicht lebenslänglich verwahrt.

Dorf Rupperswil will Tat, nicht Opfer, vergessen

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Luftaufnahme einer Stadt mit Kirche im Vordergrund und bewölktem Himmel.
Legende: Das Dorf Rupperswil, in der Nähe von Lenzburg und Aarau. Seit dem Mordfall denke hier niemand mehr zuerst an die Zuckermühle Rupperswil, sondern an die Tat, sagt einer der Feuerwehrmänner im SRF-Dok-Film. SRF

Die Tat versetzte die Gemeinde 2015 in einen Ausnahmezustand. Alle standen unter Generalverdacht, bis der Täter gefasst wurde. Dass jemand von «hier» eine Familie ausgelöscht hat, bleibt für viele unfassbar.

Rupperswil wird immer mit diesem Fall verbunden, weiss der ehemalige Gemeindeammann Rudolf Hediger im SRF-Dok «True Crime Schweiz». «Mit dieser Tat ist Rupperswil zum Gespräch in der Schweiz geworden.»

Aber Rupperswil möchte nicht nur auf das Verbrechen reduziert werden. Rupperswil hat heute über 6300 Einwohnende, ein Dorf- und Vereinsleben, Industrie und Gewerbe. Der Vierfachmord ist 10 Jahre her, das Dorf hat sich seither weiterentwickelt.

Warum? «Ich hoffe, dass es in meiner Berufskarriere keinen vergleichbaren Fall mehr gibt», sagt die zuständige Aargauer Staatsanwältin Barbara Loppacher im SRF-Dok-Film. Der Täter sei nicht fassbar. Gutachter, Staatsanwaltshaft, Gericht und Polizei hätten versucht zu erfahren, warum der Mann vier Menschen getötet hat. «Noch heute haben wir keine eindeutige Antwort auf diese Frage. Das macht das Ganze so schwierig.»

Vierfachmörder kämpft für eine Therapie

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Zeichnung von zwei nachdenklichen Personen, Mann und Frau im Profil.
Legende: Der Vierfachmörder damals vor Gericht, neben ihm die Pflichtverteidigerin. Keystone/Sibylle Heusser
  • Der heute 42-jährige, verurteilte Vierfachmörder von Rupperswil AG kämpft vor Gericht für eine freiwillige Therapie.
  • Das Aargauer Verwaltungsgericht hat seine Beschwerde zum Teil gutgeheissen.
  • Das zuständige Departement muss demnach eine begonnene Prüfung des Begehrens abschliessen.
  • «Es geht dabei nicht um eine Entlassung oder die Lockerung des Vollzugs oder um Massnahmen, sondern nur um die Frage, ob eine Therapie im Grundsatz denkbar wäre», sagt der Mediensprecher der Aargauer Staatsanwaltschaft im Oktober 2025 gegenüber SRF.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 19.12.2025, 17:30 Uhr ; 

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