- Rund 3500 Gewaltfälle hat die Opferhilfe beider Basel 2025 unter dem Strich registriert; das sind 500 mehr als im Vorjahr.
- Zugenommen haben insbesondere Fälle von Gewalt gegen Kinder und Gewalt im öffentlichen Raum – jeweils um 20 Prozent.
- Nach wie vor die meisten Fälle betreffen Gewalt gegen Frauen zu Hause, auch jetzt über die Feiertage.
Nach den Weihnachtsfeiertagen kehrt der Leiter der Opferhilfe beider Basel mit flauem Gefühl ins Büro zurück: «Da muss man manchmal recht schlucken», sagt Beat John angesichts der neuen Fälle, die eingetroffen sind. 75 gewaltbetroffene Menschen meldeten sich, allein am Montag gingen 40 Anrufe ein.
Dabei geht es um häusliche Gewalt, auch psychische Gewalt, dazu Schlägereien im Ausgang. Bei den meisten Fällen über Weihnachten werde Gewalt daheim ausgeübt, bilanziert John, vor allem gegen Frauen. Ein Mann würgt seine Frau, zwingt sie zu sexuellen Handlungen, schlägt das Kind oder droht, die Kinder ins Ausland mitzunehmen und nicht mehr zurückzubringen: Jeweils wenn Familien eng zusammen seien, passiere in diesem Kontext auch mehr.
In vielen Fällen ist sofortiges Handeln erforderlich – um Spuren zu sichern, wie Würgemale oder blaue Flecken von Schlägen, oder um weitere Eskalationen zu vermeiden. Zum Beispiel um ein Kontaktverbot für einen Täter zu seinem Opfer zu erwirken, suche sie eine Anwältin, erklärt Beraterin Lilian Menn.
Bei einem Anruf schnell reagieren müsse die Opferhilfe auch, weil manche Opfer es sich später anders überlegten, sagt Frauenberatungs-Teamleiterin Melanie Börlin. Eine Gewaltbeziehung zu verlassen, falle vielen schwer, weil dies Schritte aus einem Daheim ins Unbekannte seien. Und längst nicht alle Opfer gingen zur Polizei, etwa wegen der Kinder.
Gewalt gegen Frauen überwiegt
Fast die Hälfte aller Fälle von häuslicher Gewalt betrifft Frauen. Doch nicht nur Frauen sind zu Hause Opfer. Männern falle es sehr schwer, zu ihrer Opferrolle zu stehen und sich Unterstützung zu holen, sagt Berater Alessandro Suter. Das sei oft mit einem Stigma verbunden: «Bin ich noch Mann, wenn ich mir Hilfe suche?»
Insgesamt deutlich zugenommen hat dieses Jahr laut John Gewalt gegen Kinder: Über 600 Fälle bedeuteten 20 Prozent mehr als 2024, das bedeutet, dass jeden Tag im Schnitt zwei Kinder in der Region Gewalt erlebten.
Die Zunahme liege zum einen daran, dass sich Leute inzwischen eher meldeten; so seien Schulen und Kindergärten inzwischen geschult für solche Fälle. Zum anderen nehme Gewalt auch real zu, sagt John. Kinder würden teils zu Blitzableitern von gestressten und sehr unzufriedenen Erwachsenen, die unter Druck stehen, gerade in der momentanen geopolitischen Lage.
Für die Opferhilfe unerwartet hat in diesem Jahr auch Gewalt im öffentlichen Raum zugenommen: Körperverletzungen, Fäuste im Ausgang, Stress auf der Strasse. Auch in dieser Kategorie vermutet John, dass mehr gemeldet, aber auch mehr zugeschlagen werde.
Der Anruf bei der Opferhilfe ist indes oft erst der Anfang eines langen, schwierigen Weges. So gebe es viel zu wenige Schutzplätze für Opfer; für Menschen mit Beeinträchtigungen habe es in der Region Basel gar keine, stellt John fest. Sie telefonierten jeweils in der ganzen Schweiz herum, bis sie einen Platz gefunden hätten, aber Plätze in anderen Kantonen seien oft nicht ideal.
Ebenfalls Mangel herrsche an Therapieplätzen für die Opfer, die das Erlebte verarbeiten müssten. Und auch die Strafverfolgung ächze unter Pendenzenbergen, sodass Jahre vergehen könnten, bis ein Urteil Klarheit schaffe.