Am 1. Dezember ist Welt-Aids-Tag. Ein Tag der Solidarität mit Menschen, die an Aids erkrankt sind, oder die sich mit dem HI-Virus angesteckt haben. Einen Impfstoff gegen die Krankheit gibt es bisher nicht. Die Zürcher Virologin Alexandra Trkola forscht schon lange daran.
SRF News: Wo steht die Entwicklung eines HIV-Impfstoffs heute?
Alexandra Trkola: Beim HIV-Impfstoff sind wir leider noch nicht so weit, wie wir sein wollten. Nach fast 40 Jahren Forschung für HIV ist noch kein Impfstoff in Sicht. Und es wird noch einige Jahre dauern.
Welche Rolle spielen die aktuellen Studien, an denen die Uni Zürich beteiligt ist?
Wir haben die Studie «Renew» lanciert, die ich leite. Die Personen mit HIV, die an dieser Studie teilnehmen, werden schon sehr lange mit HIV-Medikamenten therapiert. Das Virus ist nicht nachweisbar in diesen Personen. Aber wir wissen, dass diese in der Vergangenheit über lange Zeit HIV hatten – ohne Therapie.
Bei HIV braucht man nicht nur einen einzigen Impfstoff, sondern einen ganzen Cocktail
Nun haben sich in diesen Personen zum Teil besondere Antikörper ausgebildet, so genannte «breit neutralisierende Antikörper». Diese Personen sind deshalb besonders interessant für die Impfstoff-Entwicklung, weil wir mit einem Impfstoff genau solche breit neutralisierende Antikörper hervorrufen möchten. Wir testen jetzt, ob dieser Impfstoff in Personen, die schon HIV hatten, vorhandene Antikörper reaktivieren kann.
Sie arbeiten mit Menschen, die HIV haben. Ist es Ihr Ziel, eine präventive Impfung zu entwickeln?
Ja. Das grosse Ziel ist eine präventive Impfung und dafür wurde der Impfstoff, den wir nun testen, auch entwickelt. Wir testen ein Konzept, um den Impfstoff zu evaluieren. Das ist nur ein Puzzleteil auf dem Weg zu einem präventiven Impfstoff. Denn bei HIV braucht man nicht nur einen einzigen Impfstoff, sondern einen ganzen Cocktail. Das wäre nur die allererste Impfung und es müssten weitere folgen.
Weshalb gab es noch keinen Durchbruch beim Impfstoff?
HIV verändert sich sehr schnell – eine infizierte Person kann ganz viele Virusvarianten haben. Einen Impfstoff zu finden, ist deshalb so schwierig, weil HIV ein Virus ist, das eine chronische Infektion macht und es sich sehr gut an den Menschen angepasst hat. Ausserdem ist HIV ein sogenanntes Retrovirus. Das heisst: einmal infiziert – bleibt man infiziert.
Es braucht dann eine sehr potente Immunantwort, die immer auf höchstem Level da ist. Weil kein Virus entwischen darf und doch eine Zelle infiziert. Wir müssen also einen hundertprozentigen Schutz etablieren. Das kann bis jetzt kein Impfstoff.
Wann könnte es denn einen Impfstoff geben?
Als ich Anfang der 1990er Jahre meine Doktorarbeit begann, sprach man von fünf bis zehn Jahren. Heute sage ich: frühestens in zehn Jahren.
Wie hat sich die Wahrnehmung von HIV in der Gesellschaft verändert in den letzten 40 Jahren?
Als ich studierte, war das Stigma der HIV-Infektion sehr hoch. Das habe ich während meiner Doktorarbeit selber erfahren: Als ich damals erzählte, dass ich mit HIV arbeite, herrschte Panik.
Es gab Personen, die wegen unserer HIV-Forschung nicht mit uns im Lift fahren wollten.
Ich erinnere mich auch an die Zeit, in der unser Institut mit HIV-Forschung begann. Da gab es Personen, die nicht mit uns im Lift fahren wollten. Nur schon die Vorstellung, wie es Menschen mit HIV gehen muss, hat mich sehr beeindruckt. Wenn wir das schon erleben, die im Labor mit den Viren arbeiten. Die Wahrnehmung hat sich verbessert, das Stigma ist noch da. Allerdings weniger sichtbar: Mit guter Therapie ist es eine chronische Erkrankung geworden, wie viele andere. Das mit dem Stigma hat man weltweit aber noch nicht im Griff – auch in der Schweiz nicht.
Das Gespräch führte Katrin Oller.