Worum geht es? Seit die «NZZ am Sonntag» im September berichtete, der Bundesrat wolle vielleicht Chlorhühner aus den USA zulassen, um einen Zolldeal zu erreichen, ist das Thema in der Schweiz wieder ein Politikum. Seit Freitag ist klar, dass es bei der Einigung zwischen der Schweiz und den USA im Zollstreit auch um Importe von US-Fleisch geht. «Die Schweiz hat den USA in Aussicht gestellt, dass das Kontingent für importiertes Geflügelfleisch erhöht wird», sagt SRF-Wirtschaftsredaktor Damian Rast. Der Konsumentenschutz warnt nun, dass mit Chlor behandeltes Fleisch deklarationspflichtig sei. Die Bundesräte werden dazu befragt. Die SP will gar ein Verbot des Chlorhuhns.
Was ist ein Chlorhuhn? Damit ist Geflügel gemeint, dass nach der Schlachtung durch ein chlorhaltiges Wasserbad gezogen worden ist. Damit werden Erreger wie Salmonellen und Campylobacter abgetötet. Damit kompensiert man in den USA die weniger rigorosen Hygienestandards bei der Geflügelhaltung und während des Schlachtprozesses. Laut dem US-Medienportal NPR wird das meiste Geflügelfleisch in den USA heute nicht mehr mit Chlor behandelt, sondern mit Peressigsäure-Lösungen.
Ist das Chlorhuhn gesundheitsschädlich? Grundsätzlich sei Chlor in kleinen Mengen nicht gesundheitsschädigend, sagt Roger Stephan, Direktor des Instituts für Lebensmittelsicherheit und -hygiene an der Universität Zürich. «In vielen Ländern wird Trinkwasser auf diese Weise behandelt», so Stephan. Die European Food Safety Authority habe bereits 2011 festgehalten, dass von Geflügelfleisch, das mit geringen Mengen Chlor behandelt wurde, für den Menschen keine Gesundheitsgefahr ausgehe. «Vor diesem Hintergrund», so Stephan, «sollte das Chlorhuhn kein Schreckgespenst sein». Auch die Schweizer Behörden sehen das so. «Die Oberflächendesinfektion von tierischen Lebensmitteln mit einer Chlorlösung, wie sie in den USA verwendet wird, ist gemäss aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand für die Gesundheit ungefährlich», schreibt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV.
Warum sind Chlorhühner bei uns verboten? Die Schweiz hat sich aufgrund der bilateralen Verhandlungen an EU-Recht angepasst. Das gilt auch bei der Lebensmittelgesetzgebung. Mit Chlor oder anderen Chemikalien behandeltes Fleisch ist laut einer bundesrätlichen Verordnung nicht erlaubt. Die Schweiz und die EU hätten grundsätzlich eine andere Strategie als die USA, fasst Lebensmittelsicherheits-Experte Stephan zusammen: «Gerade im Schlachtungsprozess wird extrem auf gute Hygiene geachtet.» Darum sei die Dekontamination nach der Schlachtung bei uns auch nicht zwingend. Das BLV stimmt Stephan zu. «Hygiene durch ein technologisches Verfahren nachträglich herzustellen», das widerspreche dem Schweizer Grundsatz.
Wie stehen also die Chancen auf Chlorhühner in der Schweiz? Der Bundesrat müsste das geltende Verbot zuerst aufheben, sagt Wirtschaftsredaktor Damian Rast. Bundesrat Guy Parmelin bestätigte das auch an einer Pressekonferenz am Freitag. Der Bundesrat habe sich gegenüber den USA verpflichtet, zu prüfen, ob das geltende Verbot aufgehoben werden könne. Es stellt sich aber die Frage, ob chemisch behandeltes Geflügelfleisch überhaupt gefragt wäre. Markus Ritter, Präsident des Bäuerinnen- und Bauernverbands, ist sich jedenfalls sicher, dass es dafür keinen Markt gäbe.