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Ein Experte erklärt, wieso wir anfällig auf Betrugsmaschen sind.
Aus Espresso vom 15.03.2024. Bild: Imago/Eibner
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Schock-Anrufe oder Enkeltrick Betrüger nutzen gezielt unsere Schwächen aus

Die Maschen sind bekannt und immer wieder die gleichen. Warum fallen wir also trotzdem noch darauf herein?

Falsche Polizisten, Schock-Anrufe, Enkeltrick, Liebesbetrug oder Phishing: Betrugsformen gibt es viele. Und: Mit keiner anderen Form der Kriminalität kämen Menschen in der Schweiz so oft in Berührung wie mit Betrug, sagt Dirk Baier.

Prof. Dr. Dirk Baier

Prof. Dr. Dirk Baier

Leiter Institut Delinquenz & Kriminalprävention ZHAW

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Prof. Dr. Dirk Baier ist Leiter des Instituts Delinquenz & Kriminalprävention an der ZHAW Zürich. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Jugendkriminalität, Gewaltkriminalität, Extremismus und die Methoden der empirischen Sozialforschung.

«Espresso»: Die Betrugsmaschen sind bekannt und doch fallen wir immer wieder darauf rein. Warum?

Dirk Baier: Das liegt nicht daran, dass die Menschen grundsätzlich naiv, leichtgläubig oder sogar dumm sind. Man muss sehen, dass die Täterinnen oder Täter es hundert- oder gar tausendfach versuchen, bis sie jemanden erreichen, der bei einer Betrugsmasche mitmacht. Beim Romance Scam (Liebesbetrug, Anm. d. Red.) beispielsweise, ist jemand auf der Suche nach einem Partner oder einer Partnerin. Deswegen ist die Person offener für bestimmte Angebote. Die Täterinnen und Täter nutzen diese vulnerablen Situationen aus.

Es kann also jede und jeden von uns treffen?

Jeden, aber nicht jederzeit. Es muss ein geeignetes «Fenster» geben, in dem wir anfällig sind, für einen solchen Betrug. Und was man auch sagen muss: Die Tatpersonen sind kommunikativ gut. Sie nutzen bestimmte sozialpsychologische Mechanismen aus. Beim falschen Polizisten beispielsweise wird das Autoritätsprinzip ausgenutzt. Wir alle haben eine gewisse Ehrfurcht vor Autoritäten. Und weil die Tatpersonen kommunikativ auch geschult sind, kann jeder von uns darauf hereinfallen.

Opfer sind keine Täter!

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Klassisches «Victim blaming» ist bei solchen Betrugsmaschen immer noch verbreitet. Dass also Opfer zu Tätern gemacht werden, dass Opfer «selber schuld» seien. «Damit sollten wir aufhören», sagt dazu Dirk Baier. «Wir werfen den Frauen auch nicht mehr vor, dass sie vergewaltigt werden, weil sie aufreizend angezogen sind.» Diese Zeiten seien vorbei, das gelte auch für Betrugsmaschen.

Oft ist es für Aussenstehende oder Angehörige offensichtlich, dass es sich um einen Betrug gehandelt handelt oder gehandelt hat. Warum sehen das die Opfer nicht? 

Auch Betroffene haben ab und zu einen Moment, in dem sie sich fragen: Geht hier alles mit rechten Dingen zu? Aber genau dann greifen diese kommunikativen Mechanismen. Beispielsweise bei den Schockanrufen. Da lässt das Gegenüber seinem Opfer keine Zeit, um nachzudenken. Die Tatperson setzt das Opfer unter Zeitdruck und erklärt, es müsse alles schnell gehen. Bei solchen Anrufen sind die Opfer teilweise bis zu zwei Stunden immer am Telefon – so lange, bis das Geld übergeben worden ist. Die Täter lassen ihre Opfer nicht von der Angel.

Wie kann man sich oder auch Angehörige vor solchen Betrugsmaschen schützen?

Ich empfehle allen, mit den Eltern oder Grosseltern das Gespräch zu suchen und darauf hinzuweisen, welche Betrugsmaschen es gibt. Wir müssen viel unternehmen, um die Sensibilität zu erhöhen. Und wir müssen uns auch selbst immer wieder hinterfragen: Was ist da im Postfach? Ist das ernst gemeint? Es lohnt sich auch, im Zweifelsfall andere Personen um ihre Einschätzung zu bitten.

Das Gespräch führte Sabrina Lehmann.

Espresso, 23.02.24, 08:10 Uhr

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