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Schweizer Detailhändler gründen neues Recycling-Projekt
Aus Espresso vom 04.12.2023. Bild: IMAGO / MiS
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Schweizweites Sammelsystem Nationales Recycling für Plastik und Getränkekartons

Eine neue Organisation will ein schweizweites Kunststoff- und Getränkekartonrecycling-System einrichten. Doch es gibt auch Kritik.

Der Verein Recypac will bis 2030 ein schweizweites System für Kunststoff- und Getränkekartonrecycling aufbauen. Zu den Gründungsmitgliedern gehören Detailhändler Migros, Coop, Aldi, Lidl, Spar und Volg, Konzerne wie Nestlé oder Unilever, Unternehmen aus der Verpackungs-, Kunststoff- und Recyclingindustrie sowie Gemeinden. Im Interview spricht Recypac-Präsident Wolfgang Wörnhard über das geplante System und die Hürden.

Wolfgang Wörnhard

Wolfgang Wörnhard

Präsident Recypac

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Wolfgang Wörnhard arbeitet als Projektmanager, Kommunikations- und Konfliktberater im deutschsprachigen Raum. Auf eine Berufslehre in der grafischen Industrie folgte die Ausbildung in Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Kommunikations- und Managementerfahrung holte er sich in einem der grössten Verlagshäuser der Schweiz und in nationalen Branchenverbänden.

Espresso: Wie soll das Kunststoff- und Getränkekartonrecycling funktionieren?

Wolfgang Wörnhard: Als Konsument kaufe ich mir einen Sammelsack im Detailhandel und bringe ihn, gefüllt mit meinen Kunststoffabfällen und leeren Getränkekartons, zu einer Sammelstelle im Laden oder bei der Gemeinde. 

Es gibt also keine vorgezogene Recycling-Gebühr wie beispielsweise bei Elektronikgeräten?

Das kann ein Fernziel sein. Es ist aber nicht einfach, eine solche Gebühr überall draufzuschlagen. Denn teilweise kommen die Verpackungen aus dem Ausland. Darum wollen wir mit einer Hybridfinanzierung starten. Einerseits durch den Verkauf der Sammelsäcke, andererseits leisten die Unternehmen, die mitmachen, einen Beitrag.

Bis 2030 wollen sie ein schweizweites Sammelsystem aufziehen. Wann kann man mit ersten Etappen rechnen?

Auf die ersten Umsetzungen hoffen wir bereits nächstes Jahr. Wir haben schon regionale Sammelsysteme dabei, zum Beispiel von der Migros oder vom Verein Getränkekarton.

Greenpeace kritisiert das Projekt

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Die Umweltorganisation Greenpeace kritisiert das Projekt des Vereins Recypac für ein schweizweites Kunststoff- und Getränkekartonrecycling. Der neue Verein sei eine Lobby, welche die schädliche Plastikverwendung beibehalten wolle. Dieses Recycling bringe einen sehr geringen Umweltnutzen. Greenpeace Schweiz ist überzeugt, dass ein Ausbau des Plastikrecyclings klima- und umweltschädliche Produktions- und Konsumgewohnheiten zementiert. Nötig wäre stattdessen ein Wechsel zu Mehrwegsystemen. Plastik werde zu 99 Prozent aus Öl und Gas hergestellt. Es heize die Klimakrise an, schädige die Umwelt und bedrohe unsere Gesundheit.

Nun gibt es bereits regionale Unternehmen mit eigenen Sammelsäcken – beispielsweise Mr. Green oder Sammelsack.ch. Diese sind nicht Mitglieder von Recypac.

Wir möchten sie natürlich im Boot haben, die Türen sind offen. Es gibt auch Gespräche. Aber der Aufbau eines nationalen Systems ist komplex und braucht Zeit.

Recypac ist eine Konkurrenz für deren Geschäftsmodell.

Diese Unternehmen leisten wichtige Arbeit. Man muss Sammelstellen betreuen, das Sammelgut zu einer Sortier- und einer Recyclinganlage transportieren. Das alles brauchen wir auch. Wir hoffen daher, dass wir diese Firmen als Partner gewinnen können. Das sind aber nur regionale Sammlungen – unser Ziel ist eine schweizweite.

Sie wollen das Knowhow der Konkurrenz einholen. Zunächst müssen Sie Ihr Projekt aber durch die Wettbewerbskommission Weko bringen?

Eine schweizweite Sammelorganisation kann man als Monopol verstehen. Im Gegensatz zu anderen Wertstoffen, die man sammelt, gibt es bei Kunststoff und Getränkekartons keine Gesetze und Verordnungen dazu. Darum muss man zuerst einmal mit der Weko klären, ob sie einverstanden ist.

Das Sammeln von Kunststoff und Getränkekartons ist das eine – das andere ist, was damit geschieht. Bei bestehenden Sammlungen landet fast die Hälfte am Ende in der Kehrichtverbrennung. Aus dem Rest entsteht oft Kunststoffgranulat. Aus der hochwertigen Eierschachtel aus Plastik wird also nicht wieder eine Eierschachtel. Das ist noch nicht ideal.

Die Industrie arbeitet daran. Sie hat ein grosses Interesse daran, für die Verpackungen, die sie herstellt und in Umlauf bringt, Rohstoffe aus rezykliertem Material zurückzugewinnen. Es stimmt, aktuell können nicht aus allen Lebensmittelverpackungen wieder solche werden. Im Moment gibt es daraus Sekundärstoffe für den Bau, die Autoindustrie oder den Garten, in Form von Schläuchen oder Giesskannen. Aber auch Verpackungen, einfach nicht für Lebensmittel.

Das Gespräch führte Oliver Fueter.

Espresso, 04.12.23, 08:13 Uhr

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