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Schädliche PFAS-Chemikalien in frisch gefangenem Fisch
Aus Kassensturz vom 19.09.2023.
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Ewige Chemikalien Schädliche PFAS-Chemikalien in frisch gefangenem Fisch

In jedem Fisch der durchgeführten Stichprobe stecken Spuren von PFAS. Das kann langfristig zum Problem werden.

Wolken und Nieselregen über dem Bodensee. Berufsfischer Reto Leuch wirft seine Netze aus. Doch die Erträge brechen ein: «Ein Katastrophenjahr», sagt Leuch. Kormoran, Nährstoffknappheit, Quagga-Muschel – verschiedene Faktoren belasten die Fischpopulation.

Dass nun auch noch schädliche PFAS in Fischen aus Schweizer Gewässern gefunden werden, besorgt den obersten Berufsfischer der Schweiz: «Wir sind hier auf dem grössten Trinkwasserreservoir Europas – dass man in den Fischen solche Stoffe findet, erschreckt mich. Man denkt, der Fisch ist ein Produkt, das natürlicher nicht sein könnte.»

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Reto Leuch, Präsident Schweiz. Berufsfischerverband: «Dass man in den Fischen solche Stoffe findet, erschreckt mich.»
Aus Kassensturz vom 19.09.2023.
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«Kassensturz» liess 17 Fische aus Seen, Flüssen und Zuchten verteilt über die Schweiz auf PFAS (per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) untersuchen. Diese Chemikalien sind sehr stabil und dank ihrer wasser- und ölabweisenden Eigenschaft in der Industrie und in alltäglichen Produkten beliebt. Aber sie reichern sich in der Umwelt und im menschlichen Körper an. Ein Problem, denn einige PFAS sind gesundheitsschädlich.

Um die Bevölkerung vor PFAS-Aufnahme aus der Nahrung zu schützen, hat die EU seit Anfang 2023 Höchstwerte in Lebensmitteln eingeführt. Ab nächstem Jahr gelten diese Regeln auch in der Schweiz.

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PFAS in Lebensmitteln und Alltagsgegenständen – worauf achten?
aus Espresso vom 22.09.2023. Bild: SRF
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Zwei Fische über EU-Höchstwert

Die Analyse zeigt: Ein Hecht aus dem Neuenburgersee und ein Döbel aus dem Doubs enthalten mehr PFAS als die EU-Regelung erlaubt.

Die Werte seien ein Zeichen dafür, dass die Gewässer wahrscheinlich deutlich mit PFAS belastet sind, erklärt Toxikologe Davide Staedler, der die Analyse geleitet hat: «Aber: Wer einmal einen solchen Fisch isst, riskiert nicht in den nächsten Stunden oder Tagen krank zu werden. Das Problem ist ein chronisches.»

So wurde getestet

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«Kassensturz» und das Westschweizer Konsummagazin «A bon entendeur» schickte 17 ganze Fische von Berufs- und Hobbyfischern sowie aus Zuchten ins spezialisierte Labor Tibio. Hier werden auch regelmässig für Kantonsbehörden Tests auf PFAS in Lebensmitteln durchgeführt. Das Labor analysierte das Muskelfleisch auf elf verschiedenen PFAS-Typen. Mit der angewendeten Methode können PFAS-Gehalte ab 0.1 µg/kg bestimmt werden, so wie die EU empfiehlt.

Konkret: Vom Hecht aus dem Neuenburgersee dürfte eine 75 Kilogramm schwere Person das ganze Leben lang jede Woche 28 Gramm essen, ohne gesundheitliche Folgen zu riskieren. Allerdings nur unter der Annahme, dass keine PFAS aus anderen Quellen dazukommen. Das ergibt die Berechnung mit dem Schwellenwert der EU-Lebensmittelbehörde.

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Frage an Mark Stauber, Leiter Lebensmittelhygiene, Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen: Kann man Schweizer Fisch jetzt noch Schweizer Fisch essen?
Aus Kassensturz vom 19.09.2023.
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Unrühmliche Spitzenreiter: Zuger-, Murten- und Genfersee

Die stärkste PFAS-Belastung in der Stichprobe findet das Labor in einem Felchen aus dem Zugersee. Ebenfalls relativ hohe PFAS-Werte wurden in Egli aus Murten-, Genfer- und Bodensee und einem Felchen aus dem Bielersee gemessen. Diese Fische enthalten mehr PFAS als die Hecht- und Döbel-Proben, liegen aber unter dem EU-Höchstwert für Egli und Felchen.

Darum gelten unterschiedliche Höchstwerte für die Fische

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Für unterschiedliche Fischarten gelten unterschiedliche Höchstwerte in der EU-Verordnung. Das erklärt Mark Stauber, Leiter Lebensmittelhygiene beim BLV so: «Bei den Höchstwerten für Umweltkontaminanten spielt auch die Machbarkeit eine Rolle. Da müssen wir schauen, wie stark die einzelnen Lebensmittel – beispielsweise verschiedene Fischarten – belastet sind. Die Höchstwerte werden so festgelegt, dass man dort die Spitzen abschneidet, dass die schlimmsten Produkte gar nicht auf den Markt kommen.»

Je abgelegener, desto weniger PFAS

Es geht auch mit weniger PFAS: Felchen, Zander und Egli aus dem Zürichsee sowie Felchen aus dem Vierwaldstättersee und Saibling aus dem Genfersee enthalten niedrigere PFAS-Werte. Kaum PFAS fand das Labor in Fischen aus der Saane, dem Lac de Joux und zwei Zuchten, welche mit Quellwasser aus den Alpen arbeiten.

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Für Davide Staedler zeigen die Resultate eine klare Tendenz: «An städtischen Standorten mit mehr menschlichem Einfluss gibt es tendenziell mehr PFAS als an entlegenen Orten.»

Reduktion nötig

Auf EU-Ebene wird aktuell ein Vorschlag geprüft, PFAS weitgehend zu verbieten. Eine Entscheidung wird nicht vor 2025 erwartet.

Pilotstudie:

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Auch in der Schweiz hat jeder Mensch Spuren von PFAS im Blut

Das Bundesamt für Gesundheit untersuchte für eine Studie eine repräsentative Gruppe von 789 gesunden Erwachsenen aus den Kantonen Bern und Waadt. Alle untersuchten Personen hatten mindestens drei PFAS-Typen (PFOA, PFHxS und PFOS) im Blut. Für die Substanz PFOS ist bei 3,6 Prozent der Untersuchten die Konzentration so hoch, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen für möglich gehalten werden. Zurzeit wird die Ernährung und die Lebensumstände der Betroffenen genauer untersucht, um Hinweise auf die relevanten Quellen zu erhalten. Die Resultate liegen in einem ähnlichen Bereich wie in anderen Industrie-Ländern.

Für Berufsfischer Reto Leuch ist klar: Politik und Gesellschaft müssen auch in der Schweiz aktiv werden, damit weniger PFAS in die Umwelt gelangen. «Ich weiss nicht, ob ein komplettes Verbot realistisch ist, aber wir müssen schauen, dass wir von diesen Stoffen wegkommen», fordert der oberste Berufsfischer der Schweiz.

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Gespräch mit Prof. Martin Scheringer, Umweltchemiker ETH: «PFAS sind überall und gehen auch nicht mehr weg.»
Aus Kassensturz vom 19.09.2023.
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Kassensturz, 19.09.23, 21:05 Uhr

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