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Nach Rückzug vor 2 Jahren Kapitulation: Die WTA ist zurück in China

Als wäre nichts gewesen: Nach 2 Jahren Absenz trägt die Frauen-Tennistour wieder Turniere in China aus.

Tennisspielerin beim Aufschalg.
Legende: Immer noch keine Klarheit Der Fall um Peng Shuai wurde nie aufgelöst – auch, weil China das nicht wollte. Reuters/Edgar Su

Es ist der 1. Dezember 2021, da sonnt sich die Frauen-Tennisvereinigung WTA im Scheinwerferlicht. «Ich sehe nicht, wie ich von meinen Spielerinnen guten Gewissens verlangen kann, an Turnieren in China teilzunehmen, wenn Peng Shuai nicht erlaubt wird, offen zu kommunizieren», spuckte Steve Simon, CEO der WTA, grosse Töne und kündigte die Suspension sämtlicher Turniere in China an.

Es wäre fast besser gewesen, wenn die WTA gar nie Position bezogen hätte.
Autor: Mark Dreyer Sportanalyst

Dafür gab es weltweit viel Lob. Nicht einmal zwei Jahre später ist dieses Gewissen kein Hindernis mehr. Anfang November 2021 hatte die damals 35-jährige Peng, ehemalige Nummer 1 im Doppel und US-Open-Halbfinalistin 2014 im Einzel, in einer Mitteilung happige Vorwürfe gegen den ehemaligen chinesischen Vize-Premierminister Zhang Gaoli erhoben.

Sie sei vom einflussreichen Ex-Politiker zu einer sexuellen Beziehung genötigt worden. Wenig später war der Post verschwunden, auch Peng selber verschwand von der Bildfläche.

Suspension ohne Konsequenzen

Es folgten einige, mutmasslich ebenfalls nicht ganz freiwillig gemachte Fotos und Videos der chinesischen Tennisspielerin in inländischen Publikationen sowie ein angebliches Mail Pengs an die WTA. Diese äusserte jedoch Zweifel an deren Echtheit. Deshalb gab Simon den Rückzug der WTA aus China bekannt.

Ein starkes Signal, das damals keine grossen Auswirkungen hatte, weil China sich wegen der Corona-Pandemie sowieso abschottete und ausser den Olympischen Winterspielen 2022 keine internationalen Sportanlässe durchführte.

China lässt keine unabhängige Untersuchung zu

Seit diesem Jahr sind diese wieder möglich, und die WTA kehrt in den lukrativen Markt zurück, obwohl es – wie sie selbst gesteht – «keinerlei Zeichen» gibt, dass sich die Situation verändert habe. Sprich: China hat keine unabhängige Untersuchung von Pengs Vorwürfen zugelassen und die WTA hatte keine Möglichkeit, privat mit der Spielerin zu sprechen.

Es gibt in Fragen der Ethik keinerlei Leadership unter den Tennisspielerinnen und -spielern. Heute bezieht fast keiner mehr Position in solchen Fragen.
Autor: Lionel Maltese Organisator des ATP-Turniers in Marseille

Man sei zum Schluss gekommen, dass man die Ziele nicht erreichen werde und wolle nicht, dass die Spielerinnen den Preis bezahlen müssten. Man will doch nicht auf das Geld aus China verzichten, jetzt wo es wieder fliesst. Guangzhou, wo auch die Schweizerin Viktorija Golubic im Einsatz stand, macht diese Woche den Anfang. In den kommenden Wochen folgen 6 weitere WTA-Turniere, darunter Peking, eines der 5 grössten und obligatorischen Events der WTA.

Video
Archiv: Der Fall Peng Shuai
Aus Sport-Clip vom 02.12.2021.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 46 Sekunden.

«Komplette Kapitulation»

«Unser Standpunkt ist wichtiger als das Geschäft», hatte Simon von der WTA ursprünglich getönt. Nun sei es eine «komplette Kapitulation», stellt der in China basierte Sportanalyst Mark Dreyer gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP fest. «Da wäre es fast besser gewesen, wenn sie gar nie Position bezogen hätten.»

Am Ende seien die Einnahmen, die das Frauentennis in China generiere, «einfach zu wichtig», erklärt Lionel Maltese, Organisator des ATP-Turniers in Marseille. Von Seiten der Männertour gab es gar nie die Absicht, sich aus dem «Reich der Mitte» zurückzuziehen. «Es gibt in Fragen der Ethik keinerlei Leadership unter den Tennisspielerinnen und -spielern», kritisiert Maltese. «Heute bezieht fast keiner mehr Position in solchen Fragen.»

Radio SRF 3, Bulletin von 16:30 Uhr, 19.09.23;

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