Vor einer Woche endete die Vernehmlassung zu dem vom Bundesrat neu ausgehandelten Vertragswerk. Über 150 Organisationen taten ihre Meinung kund: Parteien, Wirtschaftsverbände, Kantone und Gewerkschaften.
Trotz kritischer Anmerkungen und der Fundamentalopposition der SVP fielen die Rückmeldungen zu den Verträgen mit der EU mehrheitlich positiv aus. Aussenminister Ignazio Cassis dürfte also Rückenwind gespürt haben, als er am Dienstagabend im Zürcher Kaufleuten einen Vortrag zum EU-Vertragspaket hielt.
Schwierige Lektüre
Fast 2000 Seiten umfasst das neu verhandelte Vertragspaket mit der EU. Hier den Durchblick zu haben, ist schwierig, wie eine kleine Umfrage unter Besucherinnen und Besuchern vor dem Vortrag zeigte. Ein gutes Verhältnis mit der EU erachte sie in der heutigen Weltlage als wichtig, sagte eine Frau. Ob jetzt aber genau diese Verträge unterzeichnet werden sollen, sei für sie nicht einfach zu beurteilen.
Inmitten von so engen Partnern sei es nicht vorstellbar, keine Lösung zu finden, betonte eine andere Besucherin. Eine Abkapselung sei für sie keine Option. «Ich finde es gut, wie die Schweiz jetzt dabei ist bei der EU, mit gewissen separaten Verträgen. Aber nicht als vollständiges Mitglied», betonte ein anderer Gast.
Für die Schweiz im Herzen dieses Kontinents ist es keine Option, am Rand zu stehen.
Aussenminister Ignazio Cassis trat gut gelaunt vor die Leute und verteidigte lustvoll den bilateralen Weg, den der Bundesrat mit der EU weiterführen will: «Für die Schweiz im Herzen dieses Kontinents ist es keine Option, am Rand zu stehen.»
Mehrere Jahre lang arbeitete der Bundesrat an den Verträgen mit der EU. Er könne daher gut verstehen, dass es für die Bevölkerung nicht einfach sei, das Vertragswerk vollständig zu durchschauen, sagte Cassis nach dem Vortrag. «Es ist eine grosse Herausforderung für den Bundesrat, die Bevölkerung zu informieren, auch jene, die nicht jeden Tag acht Zeitungen lesen.»
Es gibt eine grosse Zustimmung zum Paket. Aber auch viele Wünsche, die der Bundesrat zu berücksichtigen versucht, bevor er die Vorlage ins Parlament gibt.
Positiv stimmen ihn die Rückmeldungen aus der Vernehmlassung. Cassis’ Fazit nach der Lektüre: «Es gibt eine grosse Zustimmung zum Paket.» Aber es gebe auch viele Wünsche, welche der Bundesrat jetzt zu berücksichtigen versuche, bevor er die Vorlage ins Parlament gebe. Dabei geht es beispielsweise um den Lohnschutz, um das Verfahren bei der Rechtsübernahme und um weitere Aspekte.
Einen Vorgeschmack auf die sicherlich emotionale Debatte zu den EU-Verträgen im Parlament bekam Cassis schon beim anschliessenden Podium, wo sich Befürworterinnen und Gegner des Vertragspakets gegenübersassen. «Das Thema wird nicht trocken und bürokratisch diskutiert, sondern hochemotional», so Cassis.
Man spürt die kulturellen Unterschiede zwischen den Sprachregionen und wie das Thema vor allem in der Deutschschweiz unter die Haut geht.
Für Cassis war es der erste öffentliche Auftritt seit dem Ende der Vernehmlassung, aber natürlich bei weitem nicht der erste zum Thema «Zusammenarbeit mit der EU». Bei all diesen Auftritten habe er die Schweiz und ihre Landesteile sehr unterschiedlich erlebt, berichtet er: «Man spürt die kulturellen Unterschiede zwischen den Sprachregionen und wie das Thema vor allem in der Deutschschweiz unter die Haut geht.»
Wahrscheinlich noch in diesem Jahr wird der Bundesrat entscheiden, ob er Anpassungen bei der Umsetzung vorschlägt – anschliessend wird er die Vorlage dann ins Parlament weiterreichen. Eine Volksabstimmung zum EU-Vertragspaket dürfte frühestens 2027 stattfinden.