Die FDP hat ihren Entscheid zum Europa-Paket getroffen: Eine Dreiviertel-Mehrheit der Delegierten unterstützt neue bilaterale Regeln im Verhältnis mit der Europäischen Union. Und sie unterstützt auch die neuen Abkommen zum Strom, zur Gesundheit und zur Lebensmittelsicherheit.
Der Entscheid ist deutlich, aber im Grundsatz konnte die Partei kaum anders. Sie folgte damit ihrem Aussenminister Ignazio Cassis, der für die Verhandlungen verantwortlich ist. Der erklärte mit Blick auf die Forderungen, die die FDP vor den Verhandlungen aufgestellt hatte, selbstsicher: «Ich habe erfüllt!»
Nicht aus Liebe zu Europa
Fraktionschef Damien Cottier ergänzte: «Wir haben den Bilateralismus erfunden.» Die Freisinnigen folgen also mit dem Entscheid auch ihrer eigenen Tradition, im Wissen, dass dieser Bilateralismus mit den neuen Verträgen eine qualitative Vertiefung erfahren würde.
Die FDP hat den EU-Verträgen nicht wegen der dynamischen Rechtsübernahme oder der Streitbeilegung zugestimmt. Und sicher nicht, weil sie Regulierungen aus Brüssel begrüsst. Aber die Delegierten kamen zum Schluss, dass ein geregeltes Verhältnis zu Europa in geopolitisch unsicheren Zeiten für die Schweiz viel wert ist. Es ist ein Ja, trotz der Kröten, die das Paket enthält.
Deutliches Ja – kein Ständemehr gefordert
Die Debatte in der Partei wurde offen geführt, in der Breite – und zuweilen gehässig. Am Ende war das Ja deutlich. Gespaltener ist die FDP in der Frage nach dem Ständemehr. Vorgesehen war, den Delegierten einen Kompromiss vorzulegen: Ja zu den Verträgen, aber verbunden mit der Forderung nach dem doppelten Mehr von Volk und Ständen.
Die Delegierten allerdings wollten den Gegnern des Europa-Pakets mehrheitlich nicht entgegenkommen. 55 Prozent der Delegierten sprachen sich gegen das Ständemehr aus. Die Partei ist damit fast mittig gespalten.
Ein mutiger Entscheid
Die neuen Verträge zwischen der Schweiz und der Europäischen Union stellen die Schweiz vor einen gewichtigen Entscheid, wohl den wichtigsten in der Aussenpolitik im laufenden Jahrzehnt. Die breitere Anwendung der dynamischen Rechtsübernahme stellt keinen irreversiblen, aber einen erheblichen Integrationsschritt dar.
Man kann durchaus argumentieren, dass die Hürde dafür hoch liegen soll. Aber das Ständemehr würde die Ausgangslage verändern: Es hilft der Gegnerschaft. Erfahrungsgemäss muss eine europapolitische Vorlage etwa 56 Prozent der Abstimmenden überzeugen, um das Ständemehr zu erreichen.
Wer die neuen Verträge mit Europa wirklich will, gibt deshalb mit einem klaren Ja und dem Verzicht auf das Ständemehr eine konsequente und eine mutige Antwort. Das hat die FDP heute getan.