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Mit oder ohne Gegenvorschlag? Kampf gegen «Keine 10-Mio.-Schweiz»: Parteien taktieren anders

Soll die SVP-Initiative «Keine 10-Millionen-Schweiz» ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung kommen? Oder ist das die falsche Taktik? Mit dieser Frage setzt sich heute der Ständerat auseinander. Die Parteipräsidenten von Mitte und SP sind sich in dieser Frage uneins.

Die SVP-Volksinitiative «Keine 10-Millionen-Schweiz!» dürfte eine der wichtigsten Abstimmungen im Jahr 2026 werden. Vom Bundesrat und vom Nationalrat wird die SVP-Initiative zur Ablehnung empfohlen.

Das will die Volksinitiative «Keine 10-Millionen-Schweiz»

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Menschenmenge auf belebter Strasse im Winter.
Legende: KEYSTONE / Walter Bieri

Darum geht es: Die Volksinitiative der SVP, auch bekannt unter dem Namen «Nachhaltigkeitsinitiative», will das Bevölkerungswachstum mittels fixer Zahl in der Verfassung begrenzen. Konkret soll die Einwohnerzahl vor dem Jahr 2050 nicht mehr als zehn Millionen Menschen betragen. Damit möchte die Partei eine nachhaltige Entwicklung der Schweiz gewährleisten.

Das ist umstritten: Der Bundesrat und die staatspolitische Kommission des Nationalrats anerkennen zwar, dass die Zuwanderung für die Schweiz eine Herausforderung ist. Doch die Initiative gefährde den bilateralen Weg mit der EU und damit auch den privilegierten Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Arbeitsplätze und Wohlstand stünden damit auf dem Spiel. Es bestünde zudem die Gefahr, dass die Schweiz nicht weiter am Schengen- und Dublin-System teilnehmen könnte. Dies dürfte zu mehr irregulärer Migration und einer höheren Zahl von Asylsuchenden in der Schweiz führe.

Der Mechanismus der Initiative: Der Initiativtext besagt, dass Bundesrat und Parlament Massnahmen ergreifen müssten, wenn die Neuneinhalb-Millionen-Grenze vor 2050 überschritten wird. Wenn der Grenzwert nach Ablauf von zwei Jahren seit seiner erstmaligen Überschreitung nicht wieder eingehalten werden kann, müsste die Schweiz Freizügigkeitsabkommen mit der EU kündigen.

Aktueller Stand: Der Bundesrat lehnt die Initiative ohne Gegenvorschlag ab, plant aber diverse Begleitmassnahmen. Beispielsweise prüft der er, ob Menschen ohne Chance auf Asyl vom Asylverfahren ausgeschlossen werden können. Oder die Behörden sollen gezielter untersuchen, ob vorläufig aufgenommene Menschen nicht in ihre Heimat zurückkehren können. Auch der Nationalrat lehnt die Initiative ohne Gegenvorschlag ab – nach einer Monsterdebatte in der Herbstsession. Nun ist heute der Ständerat am Zug – dessen vorberatende Kommission empfiehlt ebenfalls die Ablehnung ohne Gegenvorschlag. 

Ob diese Initiative aber im nächsten Jahr zur Abstimmung kommt, hängt von der Taktik der FDP, der Mitte und der SP ab, ob sie der Initiative einen Gegenvorschlag gegenüberstellen wollen oder nicht. Darüber diskutiert heute der Ständerat.

Vorschläge für Gegenvorschläge

Zur Auswahl stehen drei Stossrichtungen für mögliche Gegenvorschläge.

  • So will FDP-Ständerätin Petra Gössi klar definieren, wann die Schutzklausel im Freizügigkeitsabkommen ausgelöst werden soll. Würden Grenzwerte im Bevölkerungszuwachs in drei Folgejahren überschritten, so müsste die Schutzklausel aktiviert und es müssten Massnahmen im Asylbereich und beim Familiennachzug getroffen werden.
  • Mitte-Ständerat Daniel Fässler will den Bundesrat ebenfalls dazu verpflichten, im Fall von mehr als zehn Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern vor 2050 Massnahmen zu treffen. Allerdings verlangt sein Gegenvorschlag keine Kündigung der Personenfreizügigkeit wie die Volksinitiative der SVP.
  • Mitte-Ständerätin Heidi Z'graggen will hingegen eine Abgabe auf die Zuwanderung von Ausländerinnen und Ausländer erheben.

Gegenvorschlag, oder alle gegen die SVP?

Gegenvorschlag oder nicht – in dieser Frage sind die Parteien gespalten. Die Mitte hatte schon im Nationalrat keine Mehrheit für einen Gegenvorschlag gefunden. Und auch vor der Ständeratsdebatte zeichnet sich keine Mehrheit ab. SP-Co-Präsident Cédric Wermuth ist dagegen: «Ich stimme einem Gegenvorschlag zu, wenn ich das Ziel der Initiative teile. Und diese Initiative will das Wohlstandsmodell der Schweiz zerstören.»

Ich teile kein einziges dieser Ziele.
Autor: Cédric Wermuth SP-Co-Präsident

Die Initiative wolle das Land spalten, die Schweiz international isolieren und die Personenfreizügigkeit kündigen, so Wermuth. «Ich teile kein einziges dieser Ziele und sehe darum auch keinen Grund, warum ich einen Gegenvorschlag machen sollte, der die Ziele quasi noch besser erreicht als die Initiative.»

Man muss einen Gegenvorschlag machen, um der Bevölkerung zu zeigen, dass wir diese Sorgen ernst nehmen.
Autor: Philipp Matthias Bregy Mitte-Präsident

Ganz anders sieht es Mitte-Präsident Philipp Matthias Bregy. Die Zuwanderung führe zwar zu mehr Wohlstand. Sie habe aber auch Nebenwirkungen: «Dichtestress, wenig freie Wohnungen. Und das macht den Menschen Sorgen. Und weil ich diese 10-Millionen-Schweiz-Initiative eben nicht will, bin ich der Meinung, man muss einen Gegenvorschlag machen, um der Bevölkerung zu zeigen, dass wir diese Sorgen ernst nehmen», sagt Mitte-Präsident Bregy.

SVP gegen Gegenvorschlag

Die SVP selbst hatte sich in der Herbstsession gegen einen Gegenvorschlag eingesetzt. Bundesrat und Parlament seien nicht gewillt, die Zuwanderung zu bremsen, sagte SVP-Nationalrat Pascal Schmid am Rednerpult.

Die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative sei in einem beispiellosen Verfassungsbruch verweigert worden. Und die Schutzklausel im Freizügigkeitsabkommen, die seit zwanzig Jahren bestehe, sei nie ausgelöst worden. «Deshalb wird auch der Gegenvorschlag wirkungslos sein. Die masslose Zuwanderung tut unserem Land nicht gut, deshalb braucht es diese Initiative unbedingt zum Schutz unserer Bevölkerung und zum Schutz unseres Landes», betonte der SVP-Nationalrat.

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Rendez-vous, 15.12.2025, 12:30 Uhr

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