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Sparmassnahmen des Bundes Erbsenzählerei oder Notwendigkeit? Riesendebatte zum Sparpaket

Der Bundesrat will sparen, um strukturelle Defizite zu verhindern. Der Ständerat diskutiert die rund 60 Punkte des Sparpakets. Morgen geht's weiter.

Verantwortlich für die drohenden Milliardendefizite beim Bund sind vor allem zwei Bereiche: Die AHV und hier vor allem die vom Volk beschlossene 13. Rente, die im nächsten Jahr zum ersten Mal ausbezahlt wird. Und die Armee, deren Ausgaben bis ins Jahr 2032 von heute 6 Milliarden auf bis zu 10 Milliarden Franken fast verdoppelt werden sollen.

Aus diesem Grund brauche es in anderen Bereichen dringend Abstriche, damit die sogenannte Schuldenbremse noch eingehalten werden könne, hat Finanzministerin Karin Keller-Sutter im Ständerat gemahnt. Im «Entlastungspaket 2027» – kurz «EP27» – sieht der Bundesrat fast 60 Entlastungsmassnahmen vor. Er habe dabei auf eine relativ breite «Opfersymmetrie» geachtet, sagt die Bundespräsidentin. Denn: «Man kann das Fell des Bären nicht waschen ohne es nass zu machen. Es müssen fast alle gewisse Konzessionen machen in diesem Paket. Es gibt eine relativ breite Opfersymmetrie.»

Und genau das stört die Ständerätinnen und Ständeräte von SP und Grünen: «Es ist eine Erbsenzählerei», kritisiert die grüne Baselbieter Ständerätin Maya Graf: «Es ist ein Sammelsurium von Massnahmen, deren inhaltliche Kohärenz in der Opfersymmetrie besteht», stellt SP-Ständerätin Eva Herzog aus dem Kanton Basel-Stadt fest.

Die grünliberale Ständerätin Tiana Angelina Moser aus dem Kanton Zürich ihrerseits findet das «Entlastungspaket» alles andere als ausgewogen: «Die Kürzungen werden überproportional im Klima und Dekarbonisierungsbereich und im Bildungs- und Forschungsbereich vorgenommen.»

Vertreterinnen und Vertreter von FDP, SVP und Mitte halten dem entgegen, die vorgesehenen Massnahmen seien vertretbar. «Man muss nicht dramatisieren, dass wegen dieses Pakets die Welt zusammenbricht», sagt der Glarner Ständerat Benjamin Mühlemann, Co-Präsident der FDP. Die St. Galler SVP-Ständerätin Esther Friedli sieht im Entlastungspaket eine «Entrümpelungsaktion». «Brauchen wir noch die unterschiedlichen Sachen, oder von was können wir uns trennen?»

Sparpaket: Diese Entscheide hat der Ständerat bislang gefällt

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Ein Überblick zu den vom Ständerat beschlossenen Änderungen des Entlastungspaket 27, geordnet nach der Höhe des Spareffekts:

Migration: Heute deckt der Bund für vorläufig Aufgenommene und Schutzsuchende während sieben Jahren, für Flüchtlinge während fünf Jahren die Sozialhilfekosten der Kantone mit Globalpauschalen ab. Künftig soll die Abgeltungsdauer für alle Kategorien fünf Jahre betragen. Der Ständerat hat dies mit 28 zu 14 Stimmen bei einer Enthaltung gutgeheissen. Der Spareffekt über die Jahre 2027 bis 2029 beläuft sich auf insgesamt 1.067 Milliarden Franken.

Gebäudeprogramm: Der Bund finanziert heute das kantonale Gebäudeprogramm mit, mit dem der Ersatz von fossilen Brennstoffen betriebenen Heizungen subventioniert wird. Der Bundesrat wollte dieses Instrument streichen. Der Ständerat hat das aber mit 31 zu 13 Stimmen abgelehnt. Der Spareffekt über die Jahre 2027 bis 2029 sinkt damit um insgesamt rund 600 Millionen Franken.

Bahninfrastruktur: Der Bundesrat will die Einlagen in den Bahninfrastrukrurfonds (BIF) um jährlich 200 Millionen Franken kürzen. Der Ständerat hat mit 29 zu 15 Stimmen auf einen Teil der Einlagenkürzungen verzichtet. Der Spareffekt über die Jahre 2027 bis 2029 sinkt damit um insgesamt 400 Millionen Franken.

Kapitlasteuern: Der Bundesrat will eine höhere Besteuerung von Kapitalbezügen aus der zweiten und dritten Säule. Der Ständerat hat dies mit 34 zu 10 Stimmen abgelehnt. Der Spareffekt über die Jahre 2027 bis 2029 sinkt damit um insgesamt 380 Millionen Franken.

Finanzausgleich: Der Ständerat hat die vom Bundesrat vorgeschlagene Kürzung beim soziodemografischen Lastenausgleich mit 39 zu 5 Stimmen abgelehnt. Hier soll alles beim Alten bleiben. Der Spareffekt über die Jahre 2027 bis 2029 sinkt damit um insgesamt 201 Millionen Franken.

Studiengebühren: Heute übernimmt der Bund generell 20 Prozent der Nutzerkosten von kantonalen Universitäten und 30 Prozent der Nutzerkosten von kantonalen Fachhochschulen. Künftig soll dieser Anteil das Maximum sein. Den Rest sollen die kantonalen Hochschulen mit höheren Studiengebühren kompensieren. Der Ständerat hat dies mit 32 zu 12 Stimmen gutgeheissen. Der Spareffekt über die Jahre 2027 bis 2029 beläuft sich auf insgesamt 180 Millionen Franken.

Antriebssysteme: Heute fördert der Bund alternative Antriebssysteme für Busse und Schiffe. Künftig sollen diese Mittel gekürzt werden. Der Ständerat hat dies mit 34 zu 9 Stimmen gutgeheissen. Der Spareffekt über die Jahre 2027 bis 2029 beläuft sich auf insgesamt 138.9 Millionen Franken.

Bahn: Heute fördert der Bund Massnahmen des grenzüberschreitenden Personenfernverkehrs auf der Schiene. Künftig sollen diese Beiträge gekürzt werden. Der Ständerat hat dies mit 28 zu 12 Stimmen bei 3 Enthaltungen gutgeheissen. Der Spareffekt über die Jahre 2027 bis 2029 beläuft sich auf insgesamt 88.8 Millionen Franken.

Hochschulen: Heute gewährt der Bund projektgebundene Beiträge an die Hochschulen. Künftig sollen diese Mittel gestrichen werden. Der Ständerat hat dies mit 21 zu 20 Stimmen gutgeheissen. Der Spareffekt über die Jahre 2027 bis 2029 beläuft sich auf insgesamt 87.1 Millionen Franken.

Forschungsförderung: Heute kann die Bundespartnerin Innosuisse Projekte zur Förderung von hochqualifizierten Arbeitskräfte im Innovationsbereich fördern. Künftig sollen diese Mittel um fünf Prozent gekürzt werden. Der Ständerat hat dies mit 24 zu 19 Stimmen gutgeheissen. Der Spareffekt über die Jahre 2027 bis 2029 beläuft sich auf insgesamt 49.2 Millionen Franken.

Berufsbildung: Heute gewährt der Bund Beiträge für Innovationen und Projekte in der Berufsbildung. Künftig sollen diese Beiträge noch maximal 50 Prozent, in Ausnahmefällen 80 Prozent der Kosten decken. Der Ständerat hat dies mit 26 zu 17 Stimmen gutgeheissen. Der Spareffekt über die Jahre 2027 bis 2029 beläuft sich auf insgesamt 30 Millionen Franken.

Weiterbildung: Heute gewährt der Bund Finanzhilfen an Organisationen der Weiterbildung, was gering qualifizierten Arbeitnehmenden zugute kommt. Künftig sollen diese Mittel halbiert, aber nicht ganz gestrichen werden. Der Ständerat hat dies mit 27 zu 15 Stimmen gutgeheissen. Der Spareffekt über die Jahre 2027 bis 2029 beläuft sich auf insgesamt 28.6 Millionen Franken.

Umweltbildung: Heute gewährt der Bund Förderbeiträge für die Aus- und Weiterbildung von Fachleuten im Umwelt- und Landwirtschaftsbereich. Künftig sollen diese Beiträge um rund die Hälfte gekürzt werden. Der Ständerat hat dies mit 33 zu 11 Stimmen gutgeheissen. Der Spareffekt über die Jahre 2027 bis 2029 beläuft sich auf insgesamt 9 Millionen Franken.

Digitialisierung: Heute kann der Bund mit einer Anschubfinanzierung Digitalisierungsprojekte von hohem öffentlichem Interesse fördern. Künftig soll darauf verzichtet werden. Der Ständerat hat dies stillschweigend gutgeheissen. Der Spareffekt über die Jahre 2027 bis 2029 beläuft sich auf insgesamt 6 Millionen Franken.

Strafvollzug: Heute beteiligt sich der Bund an Leistungen für den kantonalen Straf- und Massnahmenvollzug mit höchstens 80 Prozent der Kosten. Künftig soll sich der Beitrag auf noch 50 Prozent der Kosten belaufen. Der Ständerat hat dies mit 27 zu 10 Stimmen bei einer Enthaltung gutgeheissen. Der Spareffekt über die Jahre 2027 bis 2029 beläuft sich auf insgesamt 2.4 Millionen Franken.

Opferhilfe: Heute gewährt der Bund Finanzhilfen zur Förderung der Fachausbildung des Personals von Opferhilfestellen. Künftig soll auf diese Bundesbeiträge verzichtet werden. Der Ständerat hat dies mit 23 zu 19 Stimmen gutgeheissen. Der Spareffekt über die Jahre 2027 bis 2029 beläuft sich auf insgesamt 0.9 Millionen Franken.

Und Mitte-Ständerat Benedikt Würth, auch er aus dem Kanton St. Gallen, warnt, dass man die geplante Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der Schweiz vergessen könne, wenn man das «Entlastungspaket» EP27 nicht umsetze: «Wenn wir hier beim EP27 scheitern, dann scheitert auch der Aufwuchs der Armee.»

Ständerat schwächt Sparpaket ab

Der Ständerat hat denn auch den Antrag von Links, gar nicht auf die Vorlage einzutreten, mit 34 zu 10 Stimmen abgeschmettert. In der Detailberatung ist die Ratsmehrheit dann allerdings den Anträgen der Finanzkommission des Ständerats gefolgt, auf einige Massnahmen im «Entlastungspaket» zu verzichten oder sie abzuschwächen.

Karin Keller-Sutter
Legende: Bundesrätin Karin Keller-Sutter verteidigte während Stunden die Position des Bundesrats im Ständerat. Keystone/PETER SCHNEIDER

So soll – entgegen den Plänen des Bundesrates – nicht höhere Steuern bezahlen müssen, wer Kapital aus der Pensionskasse oder aus der freiwilligen 3. Säule vorbezieht. Anders als der Bundesrat will die Mehrheit des Ständerats auch die Einlage des Bundes in den Fonds, mit dem der Bau der Bahninfrastruktur finanziert wird, nicht kürzen.

Und beim sogenannten «Gebäudeprogramm», mit dem energiesparende Haussanierungen unterstützt werden, ist der Ständerat dem Bundesrat nur teilweise gefolgt. Die Landesregierung hat den Bundesanteil an diesem Programm gänzlich streichen wollen, der Ständerat will den Beitrag nur halbieren.

Um kurz vor 20 Uhr hat der Ständerat die Debatte für heute beendet, er wird die Diskussion morgen Vormittag wieder aufnehmen. Er hat heute das «Entlastungspaket» um etwa einen Viertel kleiner gemacht als vom Bundesrat beantragt.

Deshalb muss sich der Ständerat beim Entlastungspaket 27 sputen

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Der Ständerat muss das Geschäft noch in dieser Wintersession zu Ende beraten, damit sich im Frühling der Nationalrat darüber beugen kann und anschliessend die Differenzen zwischen den Räten bereinigt werden können. Nur so kann noch rechtzeitig über ein allfälliges Referendum abgestimmt werden, damit das Paket Anfang 2027 in Kraft treten könnte.

Echo der Zeit, 17.12.2025, 18 Uhr; fulu/hues

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