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Pharmaindustrie 2026 Warum das nächste Jahr für die Pharmabranche wichtig wird

Die Pharmaindustrie steht durch die US-Forderungen nach tieferen Medikamentenpreise an einer Wegscheide. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Warum steht die Pharmaindustrie vor einem herausfordernden Jahr? US-Präsident Donald Trump will in den USA die Medikamentenpreise senken. Er hat darum mit internationalen Pharmaunternehmen – auch mit Roche und Novartis – entsprechende Vereinbarungen getroffen. Nebst Preissenkungen versprechen die Firmen Investitionen in den USA. Im Gegenzug bleiben die Firmen für drei Jahre von Zöllen verschont (die sie aktuell zwar auch nicht bezahlen, aber Trump drohte diese an). Zwar sollen nur neue, patentgeschützte Medikamente von den Preissenkungen betroffen sein. Doch genau damit erzielen die Pharmakonzerne in den USA hohe Einnahmen, da die Preise bisher nicht reguliert waren. Im neuen US-System (most-favored-nation, MFN) sollen Preise nach unten angepasst werden. Und zwar auf das tiefste Niveau ausgewählter Länder. Konkret: Die Einnahmen auf dem wichtigen und grossen US-Markt werden geringer ausfallen als bisher. Gemäss dem Ökonomen Klaus Wellershoff zielt Trump mit seiner Preispolitik darauf ab, Wertschöpfung aus der Schweiz in die USA zu holen.

Eine der wichtigsten Diskussionen 2026

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Die Pharmaindustrie ist eine Leitindustrie. «Wenn wir die letzten 25 Jahre analysieren, dann ist der Chemie- und Pharmabereich der einzige Sektor, der gewachsen ist, neben der Bundesverwaltung», sagt Marie-Lyn Horlacher, die bei der Strategieberatung Oliver Wymann die Pharmabranche analysiert. 6–8 Prozent des BIP gehen gemäss der Expertin auf das Konto von Pharma – und rund 40 Prozent der Exporte.

Gemäss einer Studie des Beratungsunternehmens Wellershoff & Partner war die Pharmaindustrie über Jahre fast die einzige Stütze der Schweizer Wirtschaft. «In den letzten 30 Jahren war die Wachstumsrate in der Pharmaindustrie nur in zwei Jahren negativ, im Branchenschnitt waren es acht. Selbst in ihren schwächsten Jahren schnitt sie meist besser ab als andere Sektoren», heisst es in der Studie.

Die Firmen sind zudem wichtige Steuerzahler. Wellershoff & Partner schätzt mögliche Steuerausfälle durch die Politik Trumps auf rund 10 Milliarden Franken. Darin eingerechnet sind die Steuern von Unternehmen, aber auch von gut entlöhnten Arbeitskräften, die abwandern könnten.

Die Bedeutung der Pharmaindustrie ist für die Schweiz volkswirtschaftlich also zu gross und der amerikanische Markt wegen seiner Grösse für Novartis wie auch Roche zu relevant, als dass die Preisdiskussionen einfach ignoriert werden können. 2026 wird ein Jahr, in dem erste Weichen für die Zukunft der Branche gestellt werden könnten.

Welche Überlegungen stehen an? Auch die Schweiz zählt zu jenen Ländern, an denen die die USA sich bei der Preisfestsetzung orientieren wollen. Die Pharmakonzerne sind darum interessiert an hohen Preisen – einerseits, weil die Preise jene in den USA beeinflussen, andererseits, weil sie Umsatzeinbussen in den USA kompensieren wollen. Sie stellen drei Szenarien in den Vordergrund: Sie beliefern die Schweiz landesweit entweder nur mit Medikamenten zu höheren Preisen nach ihren Vorstellungen. Sie beliefern die Schweiz gar nicht mehr. Oder der sie liefern Medikamente nur an Selbstzahler, also jene, die sich die Medikamente leisten können. «Das führt zu einer Zweiklassenmedizin», so Pharma-Expertin Marie-Lyn Horlacher von der Strategieberatung Oliver Wymann.

Was wird konkret diskutiert?

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Pharma-Branchenverbände fordern, dass die Kriterien bei der Preissetzung von Medikamenten angepasst werden. Der Fokus liege zu sehr auf den Kosten, zu wenig auf dem Nutzen. Weiter sollen Medikamente schneller zugelassen werden. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider zeigte sich in der Samstagsrundschau von Mitte November offen, Preismodelle anzupassen - allerdings nicht so, dass Preise zulasten der Prämienzahlerinnen und Zahler steigen. Für Anpassungen bräuchte es einen politischen Prozess. Weiter hat der Ständerat im September eine Motion überwiesen mit dem Vorhaben einer Pharmastrategie. Deutschland beispielsweise hat eine solche Strategie. Sie beinhaltet anderem verbesserte Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung, höheres Tempo bei der Zulassung und auch Anreize für die Produktion.

Einige, vorwiegend linke Politikerinnen und Politiker fordern nicht nur Reformen, sondern einen grundsätzlichen Wandel. Beat Ringger, Aktivist und Autor des Buches «Pharma für alle» fordert, die Branche müsse sich völlig neu aufstellen. Weniger Wettbewerb, mehr offene Forschung, tiefere Margen, tiefere Dividenden für Aktionärinnen und Aktionäre. «Es brauche gemeinnützig orientierte, grosse Pharmaunternehmen, die das Spiel an den Finanzmärkten nicht mitspielen müssen», sagte er im September in einem Beitrag der Sendung Echo der Zeit von SRF zum Thema.

Im Detail ist nicht bekannt, was der Bundesrat und Pharmafirmen nun hinter den Kulissen verhandeln. Klar ist: Es wird wegen der volkswirtschaftlichen Bedeutung Gespräche geben.

Warum beeinflusst die Preisdiskussion den Standortwettbewerb? Das Gesundheitswesen prägt die Lebensqualität und den Wohlstand eines Landes. «Gesundheitspolitik ist Standortpolitik», sagt René Buholzer, Direktor des Branchenverbands Interpharma. Ein medizinisches Zweiklassensystem zum Beispiel würde die hier viel gepriesene Solidarität der Gesellschaft unterlaufen und das Vertrauen in Institutionen untergraben. In der Argumentationslinie der Pharmabranche sind nicht die eigentlichen Medikamentenpreise Teil der Standortpolitik, sondern die Verfügbarkeit der Medikamente.

Forscherinnen und Forscher in weissen Kitteln arbeiten in einem Labor
Legende: An den Pharmapreisen hängt vieles: von der Erforschung von Medikamenten in der Schweiz bis zu deren Verfügbarkeit. Keystone/GEORGIOS KEFALAS

Mit anderen Worten: Ist die Schweiz nicht attraktiv genug aufgrund ihrer Preispolitik, wird sie nicht beliefert. Das hätte gemäss René Buholzer weitreichendere Folgen: Würden hier kaum mehr neue Medikamenten lanciert, würde hier auch weniger geforscht. Würde nicht geforscht, würde die Schweiz auch für Forscherinnen und Top-Ärzte unattraktiv. Das ganze habe darum grosse Auswirkungen, auch auf den Forschungs- und Produktionsstandort. «Man muss diese ganze Thematik ganzheitlich anschauen», fordert René Buholzer von interpharma. Kritikerinnen bezeichnen das als Drohung.

Rendez-vous, 30.12.2025, 12:30 Uhr;liea

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