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Freiwilligenarbeit im Wandel Warum das Ehrenamt junge Menschen immer weniger reizt

Die Schweiz ist ein Land der Freiwilligen. Doch Vereinen und Organisationen fällt es zunehmend schwer, neue Helfer zu finden. Besonders eine Gruppe fehlt, was während der Pandemie deutlich wurde.

Rund 50'000 Freiwillige engagieren sich allein beim Schweizerischen Roten Kreuz (SRK). Sie entlasten Angehörige bei der Pflege, betreuen Menschen oder übernehmen Fahrdienste. Ein Grossteil dieser Helferinnen und Helfer befindet sich im Rentenalter. «Jüngere Altersgruppen, also unter 30-Jährige, seien klar untervertreten», sagt Sibylle Baumgartner vom SRK.

Freiwilligenarbeit ist so etwas wie ein Spiegel, der Entwicklungen in der Gesellschaft widerspiegelt.
Autor: Andreas Müller Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG)

Dies sei besonders während der Corona-Pandemie zum Problem geworden, als viele ältere Freiwillige ihre Einsätze nicht mehr wahrnehmen konnten. Man habe damals gemerkt, wie wichtig eine «diversifizierte Freiwilligenbasis» sei.

Vom Pflichtgefühl zur Selbstverwirklichung

Das Problem betrifft nicht nur das Rote Kreuz. Eine Studie der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) zeigt, dass das freiwillige Engagement insgesamt leicht zurückgegangen ist. Vor allem aber haben sich die Beweggründe verändert. Stand früher ein moralisches Pflichtgefühl im Zentrum, sind es heute individualistische Motive.

Freiwillige möchten etwas lernen und sich persönlich weiterentwickeln. Gleichzeitig sinkt die Bereitschaft, sich regelmässig und langfristig zu binden. Andreas Müller von der SGG erklärt: «Die Freiwilligenarbeit ist so etwas wie ein Spiegel, der Entwicklungen in der Gesellschaft generell widerspiegelt.»

Ein Bürgerdienst als umstrittene Lösung?

Diese Entwicklung führt zu einer wachsenden Kluft: Freiwillige suchen vermehrt punktuelle, projektbezogene Einsätze, während viele Bereiche wie politische Milizämter, Vereine oder die Betreuung älterer Menschen auf Regelmässigkeit angewiesen sind. Könnte ein Bürgerdienst hier Abhilfe schaffen?

Es ist möglich, dass sich die Freiwilligenarbeit in neue Tätigkeitsfelder verlagert.
Autor: Theo Wehner Emeritierter ETH-Professor in Organisations- & Arbeitspsychologie

Das hänge stark von dessen Wahrnehmung ab, meint der Arbeitspsychologe und emeritierte ETH-Professor Theo Wehner. Würde der Dienst als Chance gesehen, könne er das Engagement stärken. «Aber wenn es als Pflicht daherkommt und auch als solche eingeklagt wird, dann produziert das nicht nur Akzeptanz, sondern auch Reaktanz», so Wehner. Dann entstehe Widerstand.

Eine Verschiebung der Tätigkeitsfelder

Ob ein Bürgerdienst, wie er den Fürsprechern der Service-citoyen-Initiative vorschwebt, die Freiwilligenarbeit stärken oder schwächen würde, sei schwer vorherzusagen. Sicher ist für Wehner jedoch, dass der Bürgerdienst zu einer Verlagerung führen würde.

Das verlangt die Service-citoyen-Initiative

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Die Initiative sieht vor, dass alle Schweizer Bürgerinnen und Bürger einen Dienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt erbringen müssen. Das könnte entweder ein Dienst bei Armee oder Zivilschutz sein oder ein gleichwertiger und anerkannter Milizdienst. Personen, die keinen Dienst leisten, sollen wie heute eine Abgabe entrichten. Die Initiative zielt darauf ab, die Sicherheit breiter zu denken und die Dienstpflicht stärker auf Bereiche wie Klimaschutz, Ernährungssicherheit und Betreuung auszurichten.

Die Initiative kommt am 30. November zur Abstimmung.

Wenn der Staat Aufgaben übernehme, sei die «Freiwilligen-Community häufig sehr schöpferisch im Finden von neuen Betätigungsfeldern». Als Beispiel nennt er die Zehntausenden, die heute bei Wikipedia mitarbeiten – ein Feld, das vor 60 Jahren unvorstellbar war. «Es ist also möglich, dass die Freiwilligenarbeit in Bereichen wie beispielsweise Umwelt und Klimaschutz etwas zurückgeht und sich in neue Tätigkeitsfelder verlagert», sagt Wehner.

Wie sich das zahlenmässig in der Beteiligung der jungen Generation niederschlagen würde, bleibt dahingestellt.

Abstimmungsdossier

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Legende: SRF

News und Hintergründe zu den eidgenössischen Abstimmungen vom 30. November 2025.

Rendez-Vous, 6.11.2025, 12:30 Uhr ; 

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