Chlamydien, HIV, Gonorrhoe oder Syphilis – junge St. Gallerinnen und St. Galler aus der Stadt sollen sich gratis auf sexuell übertragbare Krankheiten (STI, englische Abkürzung für «sexually transmitted infections») testen können. Das will die Initiative «Sex? Aber safe!» der Jungen Grünen, über die am 30. November abgestimmt wird.
Von diesem Angebot sollen Personen unter 30 Jahre alt oder mit Kulturlegi Gebrauch machen können. Die Initiative will, dass die städtische Gemeindeordnung mit einem entsprechenden Zusatz ergänzt wird.
Sexuelle Gesundheit darf kein Luxusgut sein.
Sinah Eisenring, Mit-Initiantin und Co-Präsidentin der Jungen Grünen Kanton St. Gallen, sagt, STI seien ein grosses Problem, auch wegen der grossen Dunkelziffer. Es gehe vor allem um junge Leute mit wenig Geld: «Solche Tests müssen sich alle leisten können. Sexuelle Gesundheit darf kein Luxusgut sein.»
Mit Gratistests hätten bereits andere Städte gute Erfahrungen gemacht, zum Beispiel Luzern und Zürich, so Eisenring weiter: «Da wurden auch Aufklärung und Enttabuisierung gefördert.» Präventives Testen lohne sich langfristig auch finanziell, so das Initiativkomitee. Dies zeige das Beispiel Zürich, sagt Eisenring: «Testen ist für die Bevölkerung langfristig kostengünstiger als die Behandlung von Langzeitfolgen.»
Parlament und Regierung gegen Initiative
Im Stadtparlament hatte die Vorlage einen schweren Stand: 35 Nein- zu 23 Ja-Stimmen. Auch der Stadtrat empfiehlt, die Initiative abzulehnen. Die Stadt rechnet in der Abstimmungsbroschüre vor: 370'000 Franken sollen die Gratistests für STI pro Jahr kosten.
«Das vermögen wir nicht», sagt FDP-Fraktionspräsident Felix Keller. Die Stadt St. Gallen ist finanziell in Schieflage und schreibt seit Jahren Defizite. Und: «Prävention ist Aufgabe des Bundes und des Kantons. Es gibt bereits verschiedene Fachstellen und Angebote», sagt Keller.
Es gebe bereits Angebote, damit argumentiert auch der Stadtrat. Unter 25-Jährige mit höherem Ansteckungsrisiko können sich bereits jetzt gratis testen lassen. Zu den Risikogruppen zählen Männer, die mit Männern Sex haben, und Transpersonen. «Dort bezahlt der Bund oder der Kanton. Ich glaube nicht, dass es besser würde, wenn die Stadt als Insellösung ein Angebot machen würde», sagt Felix Keller.
Ich bin dagegen, dass die Stadt mehrere 100'000 Franken für solche Tests ausgibt.
Patrik Angehrn, Präsident der Mitte/EVP-Fraktion im Stadtparlament, setzt auf Eigenverantwortung. Wer sexuell aktiv sei, solle auch die Verantwortung dafür übernehmen: «Das muss jeder für sich überlegen: Wie bin ich aktiv? Wie lasse ich mich testen? Jeder kann das individuell beeinflussen. Ich bin der Meinung, dies ist nicht Aufgabe einer politischen Gemeinde und deshalb dagegen, dass die Stadt mehrere 100'000 Franken für solche Tests ausgibt.»
Test kostet 200 Franken
Und: Auch jüngere Leute hätten oft schon genügend Geld. 200 Franken kostet ein Test gemäss Angaben der Stadt. Angehrn sagt: «Die Initianten suggerieren oft, dass unter 30-Jährige kein Geld haben. Junge geben genauso Geld für individuelle Bedürfnisse aus. Es ist zumutbar, auch Tests für STI selbst zu bezahlen.»
Dass bereits Angebote bestehen, reicht dem Initiativekomitee nicht. Vor allem, dass sich bislang nur Risikogruppen gratis testen lassen können. Sinah Eisenring sagt: «Alle anderen Menschen können auch von STI betroffen sein. Teil der Entstigmatisierung ist eben auch, dass allen bewusst wird, dass alle Bevölkerungsgruppen STI bekommen können.»