Am 7. August erwacht Adrian Steiner vor vier Uhr morgens und geht mit Jagdhund Hector raus. Um sechs schüttelt er fassungslos den Kopf: Ab jetzt gelten 39 Prozent Strafzoll. Jede Kaffeemaschine, die in die USA geht: ein Verlustgeschäft. «Verrückt!»
Eine Zwickmühle
Er spricht sich mit der Geschäftsleitung ab: Die Kaffeemaschinen für US-Kunden sollen neu von der Tochterfirma in Deutschland versandt werden, weil der Zollsatz in der EU nur 15 Prozent beträgt.
Einfacher gesagt als getan: Adrian Steiners Idee, in Deutschland nur die Endmontage und damit das Minimum zu machen, widerspricht den Anforderungen der US-Zollbehörden. Diese wollen, dass Thermoplan das Herzstück der Kaffeemaschinenherstellung verlagert. Das entspricht einer Wertschöpfung von rund 50 Prozent. Rund 60 der 520 Arbeitsplätze müssten in Weggis ab- und ebenso viele in Deutschland aufgebaut werden.
200'000 Franken Verlust pro Woche
«Mit 63 finde ich keinen Job mehr, und eine Frühpensionierung kann ich mir nicht leisten», sagt Nella Konrad, die seit 19 Jahren Ersatzteile zusammenstellt. Hauptkundin Starbucks reduziert die Bestellungen für die exklusiv von Thermoplan hergestellten Maschinen für die USA sukzessive: erst auf 30 Prozent, später praktisch auf 0, mit noch rund einer Maschine pro Woche statt früher rund 300.
Nur die notwendigen Ersatzteile werden noch in gewohnter Menge bestellt. Diese Lieferungen kosten wöchentlich rund 200'000 Franken Strafzoll. «Geld, das ich ebenso gut hinter dem Haus verbrennen könnte», sagt Steiner bitter.
Ausfallende Aufträge
Noch schlimmer als die Strafzölle ist die Angst, Starbucks als Hauptkundin und damit rund 30 Prozent Umsatzanteil zu verlieren. Thermoplan entwickelt nämlich gerade die vierte Generation der Starbucks-Maschinen.
Ich habe Angst, ersetzt zu werden.
Bei rekordhohen 39 Prozent Strafzoll und den schlechtesten Rahmenbedingungen in Europa gilt auch eine 26-jährige Geschäftsbeziehung nicht mehr viel.
Steiner sagt: «Ich habe Angst, ersetzt zu werden.» Gleichzeitig hat ein anderer Gigant einen kurz vor dem Zollhammer angekündigten Auftrag auf Eis gelegt: McDonald's hatte ein Potenzial von 10'000 Maschinen in Aussicht gestellt. Solange aber die 39 Prozent Zoll gelten, bestellt McDonald's nicht. Steiner: «Ich verstehe das, so bitter es für uns ist.»
«Es fühlt sich wie Versagen an»
16. Oktober: Es ist Adrian Steiners wohl härtester Tag in der Krise. Er muss Kurzarbeit verkünden. Zum ersten Mal in der 50-jährigen Geschichte des inhabergeführten Unternehmens mit einigen Tiefs wie Finanzkrise, Frankenstärke und Corona. «Es fühlt sich wie Versagen an», sagt Steiner, auch wenn er wisse, dass er nicht schuld sei.
Als Unternehmer wolle er unabhängig sein und kein Geld vom Staat nehmen. Gleichzeitig geht das Warten weiter: Der definitive Bescheid der US-Zollbehörden für den Deutschland-Plan verzögert sich auf Ende Jahr.
Am Freitag, 14. November, dann die Erlösung: Die Schweiz vereinbart 15 Prozent Importzoll mit den USA. Eine riesige Last falle von seinen Schultern. Zwar ist Adrian Steiner bewusst, dass die 15 Prozent im Verbund mit dem starken Schweizer Franken eine Herausforderung bleiben. «Aber eine, die wir meistern können.»