Die treibende Kraft hinter der Service-citoyen-Initiative ist Noémi Rothen. Für die Initiantin ist die Sache klar: Ja, zu tun gäbe es genug: «Schon heute fehlen 12'000 Menschen im Zivilschutz, bis 2030 werden es 20'000 sein.» Wenn es darum gehe, Menschen in Notlagen zu helfen, fehlten helfende Hände. Der Fokus der Initiative liege deshalb auf Militär und Zivilschutz. Aber nicht nur.
Es gebe viele Einsatzmöglichkeiten, wo es gar keine hoch qualifizierten Kompetenzen brauche, ist Rothen überzeugt. Etwa am Steuer des Spitex-Wagens, damit sich die qualifizierte Pflegekraft voll auf ihre Aufgabe fokussieren könne. Dienstleistende sollen also in Bereichen unterstützen, wo Fachkräftemangel herrscht oder Einsätze anders gar nicht finanzierbar wären. Im Umweltbereich, im Sozialen oder in der Pflege etwa. Macht das Sinn?
Die Frage geht an Sarah Menegale, Geschäftsleiterin der Stiftung Umwelteinsatz. «Es gibt viel zu tun, und wir können heute nicht alle Aufgaben in Kantonen und Gemeinden bewältigen», sagt sie. Die Stiftung vermittelt Zivildienstleistende, etwa für den Trockenmauerbau oder im Kampf gegen invasive Arten. Der Service citoyen könne eine Chance sein, sagt Menegale.
Es gibt nichts Frustrierenderes, als wenn engagierte Menschen mit der Zeit den Eindruck einer Alibiübung bekommen.
Doch Menegale hat auch Fragen, etwa zur Betreuung der vielen zusätzlichen Dienstleistenden: «Es gibt nichts Frustrierenderes, als wenn engagierte Menschen mit der Zeit den Eindruck einer Alibiübung bekommen.» Und auch wenn die Einsatzkräfte günstig seien – gratis seien sie nicht. Sie müssten finanziert werden.
Kritisch klingt es auch beim Berufsverband der Pflegefachpersonen SBK. Die Bildungsverantwortliche Christine Bally betont, dass im Pflegebereich die Dienstleistenden noch ausgebildet werden müssten: «Pflegen kann eben gerade nicht jeder. Pflege ist ein Beruf, den man lernen muss.» Die Hilfskräfte seien deshalb keine Lösung für den Fachkräftemangel.
Wir haben grosse Bedenken, dass diese jungen Menschen der Aufgabe nicht gerecht werden können.
«Wir haben grosse Bedenken, dass diese jungen Menschen der Aufgabe nicht gerecht werden können», sagt auch Nadia Bisang, Co-Geschäftsleiterin von Avenir Social, dem Verband der Beschäftigten in der Sozialen Arbeit. Bisang ärgert sich über die Aussage der Initianten, dass es für Hilfsarbeit keine fundierte Ausbildung brauche: «Da wird ein Bild gezeichnet, wonach die soziale Arbeit keine Profession ist und dass das jede und jeder machen kann.»
Viel zu oft nämlich könnten die Fachkräfte nicht einmal Hilfskräfte und Auszubildende seriös begleiten. Das gelte besonders auch für den Pflegebereich, bestätigt Bally vom SBK. Wenn nun noch eine weitere Gruppe Begleitung brauche, werde das zu viel.
Neue Begleitstruktur nötig
Und wie wäre es mit dem Service citoyen bei den Umwelteinsätzen? «Machbar wäre es vermutlich schon, aber man baut so etwas wie eine neue Branche auf – eine Begleitstruktur, die die Leute betreut und anleitet», stellt Menegale fest.
Auch aus Offizierskreisen kommt Widerstand gegen die Initiative. Zu gross sei das Risiko, dass Dienstleistende dort fehlten, wo sie am dringendsten gebraucht würden: im Militär und Zivilschutz.
Es braucht ein Projekt, das die Menschen wieder eint und die Sicherheit und gegenseitige Hilfe in der Schweiz wieder stärkt.
Initiantin Rothen indes führt noch ein anderes Argument ins Feld: «Wir leben in einer sehr herausfordernden Zeit, in der sich die Gesellschaft spaltet und sehr viel individueller geworden ist. Es braucht ein Projekt, das die Menschen wieder eint und die Sicherheit und gegenseitige Hilfe in der Schweiz wieder stärkt.