Die Preise für Medikamente sollen in den USA sinken. US-Präsident Donald Trump hat am Freitag eine Vereinbarung mit mehreren grossen Pharmaunternehmen bekannt gegeben, darunter auch mit dem Schweizer Konzern Novartis und dem US-Ableger von Roche. Tiefere Preise bedeuten weniger Umsatz für die Konzerne. Deshalb sollen die Medikamentenpreise in der Schweiz erhöht werden, wie Roche-Chef Thomas Schinecker gegenüber der «Sonntagszeitung» sagte. Tilman Slembeck sagt, was dahintersteckt.
SRF News: Welche Hebel hat ein Pharmaunternehmen wie Roche in der Schweiz, um höhere Preise zu erzwingen?
Tilman Slembeck: In der Schweiz sind die Möglichkeiten begrenzt, weil wir ein Zulassungsverfahren und ein Pricing-Verfahren haben. Es läuft über den Staat, anders als in den USA. Von daher muss man mit dem Bund verhandeln. Es kommt aber auch auf die Kategorien der Medikamente an, über die wir sprechen.
Preisverhandlungen laufen zwischen den Unternehmen und dem Bund und sind Geheimsache oder nur teilweise transparent. Wie ist es einzuordnen, wenn der Roche-Chef sich so öffentlich äussert?
Die globalen Pharmafirmen geraten alle unter Druck, weil ein grosser Teil des Umsatzes nun in den USA generiert wird. Sie versuchen in allen Ländern, höhere Preise zu bekommen. Allerdings muss man festhalten, dass von dem Umsatz nur ein kleiner Prozentsatz aus der Schweiz kommt. Trotzdem werden sie versuchen, herauszuholen, was geht. Es wäre ja seltsam, wenn Roche und Novartis es nicht auch in der Schweiz versuchen würden. Das muss man von diesen Firmen erwarten.
Wie interessant ist der kleine Schweizer Markt für diese Konzerne?
Der kleine Schweizer Markt ist eine Signalgeberin: Es gibt diesen Länder-Preisvergleich, den andere Länder machen. Dort ist der Schweizer Preis ein Referenzpreis, auf den andere Länder Rabatt erhalten. Deshalb gibt es ein gewisses Interesse, dass der Schweizer Preis möglichst hoch ist.
Wenn der Bund einknicken würde, wäre das ein ganz schlechtes Signal.
Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider hat mehrmals gesagt, dass die Menschen in der Schweiz nicht mit ihren Krankenkassenprämien für die Preissenkungen in den USA aufkommen müssen. Wie solid ist dieses Versprechen?
Ich glaube, es ist die einzige Möglichkeit, insbesondere für den Bund, der nicht viel Einfluss hat im Gesundheitswesen. Entgegen landläufiger Meinung sind es die Kantone, die den grössten Einfluss auf die Kosten haben. Doch der Bund hat bei Medikamentenpreisen die grössten Einflussmöglichkeiten. Wenn er dort einknicken würde, wäre das ein ganz schlechtes Signal. Es wäre ein Dammbruch gegenüber allen anderen Akteuren. Die Begehrlichkeiten würden überall steigen. Von daher kann es sich der Bund nicht leisten, einzuwilligen.
Welche Hebel hat der Bund seinerseits?
Er wird einfach nicht nachgeben. Natürlich kommt die Drohkulisse der Unternehmen, dass man Arbeitsplätze oder die Forschung zu verlagern droht, oder dass man sagt, «wir liefern später oder gar nicht in die Schweiz». Das ist das übliche Szenario, das die Pharma regelmässig auffährt. Das ist nicht neu, aber das ist nur eine Drohung. Dass sie bei patentgeschützten Medikamenten die Lieferungen stark verzögern werden, halte ich für unrealistisch. Dass Arbeitsplätze in die USA verlagert werden, das ist realistisch, aber das findet sowieso statt. Das sind betriebswirtschaftliche Entscheidungen, die unabhängig von den Medikamentenpreisen in der Schweiz getroffen werden.
Das Gespräch führte Amir Ali.