«5 Millionen Iraker leben im Exil. 5 Millionen Geschichten. Und kein Archiv, das sie bewahrt. Wir wollen das ändern, mit Deiner Hilfe.» So lautet der Aufruf auf der Homepage von «Iraqi Odyssey». Es ist ein Webprojekt für die irakische Diaspora – wie und wann entstand das Bedürfnis nach so einer Plattform?
Samir: Schon während den Recherchen zum Film «Iraqi Odyssey» wurde mir klar, dass all dieses Material, welches ich in Bibliotheken und Museen rund um die Welt zusammentrug, den Rahmen eines Dokumentarfilms bei weitem sprengen würde.
Ausserdem habe ich fast 60 Personen aus meinem familiären Umfeld in langen Gesprächen befragt, und die hatten alle ihre Geschichten zu erzählen.
Es war also Stoff da für eine ganze Serie oder gar ein Museum. Aber wir hielten es für effizienter, eine Online-Community aufzubauen.
Das hat nicht zuletzt mit den offenen Mentalitäten zu tun, denen ich begegnet bin: Die Menschen aus der irakischen Diaspora zeichnen sich mehrheitlich durch tolerante religiöse Haltungen aus, ob sie nun Sunniten, Schiiten, Christen oder Juden sind.
Ausserdem befürworten sie oft moderne Konzepte wie die Gleichstellung der Geschlechter, die freie Meinungsäusserung und den sozialen Ausgleich. Das alles steht halt nun einmal im totalen Gegensatz zur momentanen Situation im Irak.
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Entsprechend wäre die Idee hinter dem Projekt, dass die Leute selbst aktiv werden: Dass sie meinen Film als Impetus betrachten, sich zu vernetzen und ihre eigene Geschichte zu erzählen.
Vordergründig sieht die Website aus wie ein soziales Netzwerk, aber das Ziel dahinter ist eine Datenbank, welche die Geschichte der säkularen Mittelklasse aus dem Irak erzählt.
Aus der Sicht der potenziell Teilnehmenden bedeutet das: Man hat den Film gesehen und irakische Wurzeln. Vielleicht hat man hat historisches Material anzubieten, persönliche Meinungen oder Fragen zur irakischen Bevölkerung in aller Welt. Was geschieht, wenn man sich anmeldet?
Man sollte sich auf der Seite zurecht finden, egal aus welcher Richtung man kommt, und was man wissen oder mitteilen will. Wir haben zahlreiche Verlinkungen über Google, Facebook und YouTube hergestellt und tun das auch weiterhin.
Zu uns gerät man, weil man sich per Stichwortsuche für historische oder kulturelle Aspekte – alte arabische Musik auf YouTube etwa – rund um den Irak interessiert.
Bei uns stösst man dann auf eine Timeline, die all diese Ereignisse versammelt. Diese Zeitachse deckt mehr oder weniger die letzten 100 Jahre des Irak ab, die im Grunde genommen die aktuelle Geschichte des Landes ausmachen.
Dort kann man sich länger mit Bildern oder Momenten beschäftigen, die der Film zeitbedingt nur streift. Es besteht zudem die Möglichkeit, eigene Erinnerungen – eingescannte Familienfotos zum Beispiel – hochzuladen, sie zu teilen und zu kommentieren.
Wir sprechen von ausgewanderten Irakerinnen und Irakern, die diese Plattform nutzen können. Wie steht es um die Bevölkerung im Irak selbst?
Dort sind die Internetverbindungen leider immer noch sehr schwach. Das Herunterladen von audiovisuellem Material braucht viel Geduld. Die Video-on-Demand-Erhältlichkeit unseres Films stösst dort an praktische Grenzen.
Die Anzahl Klicks auf unserer Facebook-Seite aus dem Irak signalisiert uns durchaus ein grosses Interesse. Wir werden natürlich auch die irakische Premiere des Films, die aus politischen Gründen erst in diesem September stattfinden kann, dazu nutzen, die Plattform vorzustellen.
Wie soll die Nutzerschaft dieser Plattform konkret aussehen?
Das Projekt richtet sich vor allem an Mitglieder der irakischen gebildeten Mittelschicht, an ehemalige Flüchtlinge, die sich hier austauschen können – sofern sie die Zeit finden.
Wir müssen den interessierten Menschen vor allem zu verstehen geben, dass es sich nicht um eine Plattform handelt, welche die beigefügten Informationen zu eigenen Zwecken nutzt. Die Benutzenden verfügen selbst über diese Daten. Dann wird sich der Erfolg hoffentlich einstellen.