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Im Kino: «Der nackte König»
Aus Kultur Webvideos vom 13.09.2019.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 18 Sekunden.
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Neu im Kino «Der nackte König»: Aufbruchstimmung mit Ablaufdatum

Im Sommer 1980 begann in Polen eine Revolution. Der Schweizer Dokumentarfilmer Andreas Hössli hat sie hautnah miterlebt.

Vor 40 Jahren brach Andreas Hössli nach Warschau auf, um an der dortigen Universität seine Dissertation zu schreiben. Ohne zu wissen, dass er bald die Anfänge einer Revolution miterleben würde.

Eine Arbeiterstreikwelle führte im Sommer 1980 zur Gründung der ersten vom Staat unabhängigen Gewerkschaft Polens – der «Solidarność». Unterstützt wurde diese von weiten Teilen der Bevölkerung, vielen führenden Intellektuellen der Nation und gar einigen prominenten Vertretern der Kirche.

Die Dokumentation «Der nackte König» blickt zurück auf die Anfänge dieser Bewegung, die geprägt waren von Optimismus und Solidarität. Worauf der realsozialistische Apparat letztendlich nur mit Repression zu reagieren vermochte.

Danziger Werft.
Legende: In der Danziger Werft nahm die Arbeiterstreikwelle von 1980 ihren Ursprung. VINCA FILM

Regisseur Andreas Hössli unterhielt sich unter anderem mit ehemaligen Mitarbeitern des polnischen Geheimdienstes, die den jungen Schweizer damals auf Schritt und Tritt verfolgt hatten. Auch er hatte sich mit der Bewegung solidarisiert und eine Neugier an den Tag gelegt, die den Staatsdienern suspekt war.

Eine Unterdrückung weicht der nächsten

Während seiner Zeit in Polen lernte Andreas Hössli auch Ryszard Kapuściński kennen, der in seiner Heimat aufgrund seiner literarischen Reportagen hoch angesehen war.

Kapuściński war gerade aus dem Iran zurückgekehrt, dessen Revolution schon weiter vorangeschritten war: Der Schah war gestürzt, Ajatollah Chomeini machte das Land zum Gottesstaat – eine Art von Unterdrückung wich der nächsten.

Auch diese Revolution ist Gegenstand des Films. Andreas Hössli trifft darin Demonstrierende von damals. Sowie eine Künstlerin, die erst Jahre danach zur Welt kam und sich heute fragt, ob sie auch mitmarschiert wäre.

Ryszard Kapuściński sitzt an seinem Arbeitstisch und wird von einer Reporterin interviewt.
Legende: Hinterliess bei Andreas Hössli einen bleibenden Eindruck: Ryszard Kapuściński. VINCA FILM

«Der nackte König» ist eine durchgehend spannende Dokumentation, die es schafft, Hösslis Erfahrungen – erzählt vom seinem «literarischen Ich» – mit dem Verlauf und den Auswirkungen zweier Revolutionen zu verflechten.

Hössli weiss, was bereits bekannt war, mit ausreichend Spannung und Hintergründen zu erzählen. So kommen seine Ausflüge ins Archivmaterial nie didaktisch daher.

Trocken wie John Cleese

Ein weiteres Plus, das zur Popularität des Films beitragen dürfte: In der deutschsprachigen Originalfassung gibt der kürzlich verstorbene Bruno Ganz den Erzähler.

Die Gespräche mit den ehemaligen Agenten des polnischen Geheimdienstes sind faszinierend: Ihre Aussagen zeugen von ihrem Respekt Hössli gegenüber. Sie werden allerdings mit einer Trockenheit vorgetragen, die man sonst eher von John Cleese oder Hugh Laurie erwarten würde.

Ajatollah Chomeini steht am Mikrofon und hält eine Rede.
Legende: Unter Ajatollah Chomeini wurden alte Probleme von neuen abgelöst. VINCA FILM

«Der nackte König» ist ein persönlicher Dokumentarfilm, der sich auf involvierende Weise mit zwei der weltweit grössten Revolutionen der jüngeren Vergangenheit beschäftigt.

Die Agenten mögen hier keine Wodka-Martinis trinken und «Argo»-Star Ben Affleck befreit hier auch niemanden aus iranischer Geiselhaft. Aber manchmal ist die Realität nicht weniger spannend, als das, was Hollywood damit anzufangen weiss.

Kinostart: 12.9.2019

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