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Filmszene: Drei junge Männer im Rollstuhl nitereinander, In der Mitte Joel Basman als Valentin mit einem grossen Kruzifix auf der Schulter
Legende: Ein ungewöhnlicher Road-Trip: Joel Basman als Valentin mit seinen neuen Freunden. Praesens Film

Solothurner Filmtage Joel Basman als Rüpel im Rollstuhl in «Vielen Dank für Nichts»

«Vielen Dank für Nichts» nimmt den Schongang aus der filmischen Weichspülmaschine: Die Regisseure setzen darauf, dass ein Film mit Behinderten nur dann nicht herablassend sein kann, wenn den Protagonisten zumindest theoretisch die gleiche Handlungsfreiheit zusteht wie allen anderen Figuren.

In «Vielen Dank für Nichts» findet sich Valentin (Joel Basmann) nach einem Snowboardunfall querschnittsgelähmt im Rollstuhl wieder. Seine Wut darüber lässt er an seiner Umgebung aus, auch und gerade an den anderen Behinderten im Südtiroler Reha-Zentrum. Die allerdings waren wohl allesamt schon an diesem Punkt und reagieren mit überraschendem Gleichmut auf das Ekelpaket. Bis Valentin merkt, dass er in den «Spastis» loyale und humorvolle Verbündete gegen die Zumutungen des Alltags gefunden hat.

Rollstuhl-Rüpel in der Fussgängerzone

Es ist ein schmaler Grad zwischen Mitleid, Solidarität und menschlicher Offenheit, und keine Szene offenbart dies besser als die stärkste Sequenz des Films, der Moment, in dem die drei Rollstuhlfahrer die Sau rauslassen: In der dichtbegangenen Fussgängerzone zwischen den Lauben Merans fahren sie den Leuten von hinten an die Beine. Und die Reaktion ist immer die gleiche: Männer wie Frauen drehen sich voller Wut und Empörung um, sehen den Rollstuhlfahrer und fallen in sich zusammen. Die meisten entschuldigen sich auf der Stelle und sehr gestenreich dafür, dass sie im Weg gewesen sind.

Das ist nicht nur eine schlagende Vorführung jener emotionalen Verunsicherung, die wir alle kennen, es ist auch eine momentane Umkehrung der Machtverhältnisse: Die «Validen» bitten die «Invaliden» um Entschuldigung für ihre lästige Anwesenheit.

Improvisation und Standardmechanik

Die Regisseure Stefan Hillebrand und Oliver Paulus, die seit Jahren mehrheitlich gemeinsam tätig sind, haben zwei dramaturgische Improvisationskonzepte mit der Standardmechanik der romantischen Komödie verschmolzen. Da ist einerseits auf der Produktionsebene die Improvisation und Drehbuchentwicklung mit den Behinderten zusammen, und andererseits die Arbeit eines begeisterten italienischen Theaterpädagogen im Film, der im Reha-Zentrum mit den zum Teil körperlich, zum Teil geistig Behinderten eine irre Hamlet-Inszenierung entwickelt.

Filmszene: Valentin im Rollstuhl mit nackten Oberkörper schaut auf zur Pflegerin in einem roten Kleid.
Legende: Valentin nähert sich an die hübsche Pflegerin an. Praesens Film

Dazu kommt die romantische Annäherung Valentins an eine hübsche junge Pflegerin, deren lästigen Freund die Rollstuhlgang im dramatischen Finale des Films mit einem veritablen Tankstellenüberfall demütigt.

Klar ist das alles konstruiert und in die standardisierte Tragikomödienmechanik eingepasst. Aber Hillebrand und Paulus setzen nicht auf sicher. Viele Szenen gehen an die Schmerzgrenze, angefangen bei jenen, die Valentin als verzweifeltes Ekel zeigen, bis zu den zwischen absurd und wirkungsvoll schwebenden Theaterimprovisationen mit dem pompös-benevolenten Maestro, bei dem schliesslich das Theaterblut doch stärker ist, als der pädagogische Impetus.

Ein völlig absurder Überfall

Der Höhepunkt, der emotional wohl vorbereitete, völlig absurde Überfall der Rollstuhlfahrer auf den Tankstellenshop, ist dann wirklich die übersteigerte Variante des Rüpelspiels in der Fussgängerzone. Die kurzfristige Umkehrung der Machtverhältnisse (die im Prinzip jedem bewaffneten Überfall zugrunde liegt) wirkt vor allem darum so urkomisch und befreiend, weil klar ist, dass keine Chance auf eine erfolgreiche Flucht besteht. Und die recht realistische und trotzdem witzige Auflösung der Situation bietet gleich noch einen weiteren Höhepunkt.

«Vielen Dank für Nichts» ist ein anarchisch-witziger Aufsteller von einem Film und als Komödie der Beweis dafür, dass man auch innerhalb der Genre-Restriktionen Freiräume öffnen kann, durch Zuhören, Hinschauen und vor allem Kooperieren.

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