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Ein Alkoholiker erzählt «Man trinkt alles kaputt»

Ein Mann wird zum Trinker – und verheimlicht seine Sucht vor seiner Frau, seinen Kindern, seinen Freunden. Das Protokoll eines Süchtigen.

«Letztes Jahr bin ich in ein Burn-out gerutscht. Ich hatte monatelang die Nächte durchgearbeitet und hatte mich überschätzt», sagt Markus Walter, der in Wirklichkeit anders heisst.

Er habe den Alkohol dann zum «Abefahre» genutzt, «um zu flüchten. Um mich selber abzuschiessen». Vor dem Burn-out sei sein Alkoholkonsum massvoll gewesen: das «typische Feierabendbier». Das wurde letztes Jahr anders.

Alkohol ist normal

«Ich arbeitete in einer alkoholaffinen Branche. Da musste man bei Apéros erklären, warum man nichts trinkt. Alkohol war normal, alles andere die Ausnahme.» Nur wer saufen könne, gehöre dazu, sagt Walter. So sei er da schleichend reingerutscht.

Ein nicht näher erkennbarer Mann hält ein Bierglas in der Hand.
Legende: Ein Bier zum Feierabend: kein Problem. Oder? Photocase/Martin Voigt

Alkohol wurde zur «Medizin» – überall und immer verfügbar, zuverlässig und schnell. Seine Abhängigkeit sei ihm schnell klar gewesen, erinnert sich Walter. Nachts, wenn Frau und Kinder schliefen, sei er wieder aufgestanden und habe getrunken. Heimlich. «Strub, wo ich da hineingeraten war.»

Nur schon die Flaschen in die Wohnung rein und wieder raus zu schaffen, sei «logistisch eine rechte Aufgabe gewesen». Seine Freunde, seine Familie habe er täuschen können. «Das ganze Ausmass hat niemand bemerkt.»

Anlaufstellen

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Schweizerische Koordinations- und Fachstelle Sucht: infodrog.ch

Adressen von regionalen Beratungsstellen: suchtindex.ch

Suchtberatung online: safezone.ch

Beratung Sucht Schweiz: suchtschweiz.ch

Vom Burn-out sei er sowieso depressiv gewesen, durchs Trinken wurde es noch schlimmer. «Das ist wie mit der Henne und dem Ei. Alkohol macht depressiv und deswegen habe ich noch mehr getrunken. Ich war in einer Abwärtsspirale.»

Alkohol macht einsam

Die Sucht mit den Heimlichkeiten und Lügen habe ihn einsam gemacht, erzählt Walter. «Ich war ein grosser Manipulator, habe Geschichten erzählt, um weiterhin heimlich zu trinken», sagt Markus Walter. «Perfide, wie viel ich riskiert habe. Wie sehr ich in Kauf genommen habe, Menschen zu verletzen, meine Familie zu verlieren.» Das sei ihm alles bewusst gewesen. «Man trinkt alles kaputt – und man weiss es.»

Hilfe wollte Markus Walter damals keine in Anspruch nehmen. Er habe das nicht eingesehen, denn «als Mann habe ich immer alles alleine geschafft».

Beginn eines Entzugs

Seine Frau hatte irgendwann genug von seinen Geschichten. Sie gehe mit den Kindern weg, sagt sie eines Tages. Markus Walter informiert daraufhin sein gesamtes Umfeld, was wirklich mit ihm los ist.

Ein Regal voller Bier.
Legende: Überall und immer verfügbar: Der Alkohol ist ein fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Keystone

Nicht nur über die Sucht, sondern auch darüber, dass er psychisch «komplett kaputt » war. Freunde seien erschrocken.

Walter liefert sich in eine Klinik ein, beginnt einen Entzug, eine Therapie: «Ich war noch nicht einmal ein Härtefall. Da waren Trinker, die hatten den Wodka auf dem Nachttisch, um durchzuschlafen.» Was er in der Klinik erlebt, «fährt ein».

Keinen Alkohol zuhause

Er musste lernen, nicht nur auf sich selbst zu achten, sondern auch auf alles, was ihn umgibt, sagt Walter. Er habe im Suff gar nicht mehr mitgekriegt, «wie blau ein Himmel sein kann». Er bleibt zwei Monate in der Klinik.

Mittlerweile ist er wieder draussen. Für Gäste, die er zu sich nach Hause einlädt, kauft er heute keinen Wein mehr. Auf Apéros trinkt er Mineral, und er hat eine «Exitstrategie»: «Ich kann jederzeit nach Hause gehen.»

In der Klinik hat er Menschen gesehen, «die haben alles verloren: Familie, Freunde, Geld». Markus Walter fährt diesen Winter mit seiner Familie in die Skiferien.

Wann ist man abhängig?

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Marcus Herdener ist Chefarzt und Leiter des Zentrums für Abhängigkeitserkrankungen in Zürich. Er spricht von einem Abhängigkeitssyndrom (gemäss der Weltgesundheitsorganisation WHO), wenn folgendes vorliegt:

  • Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren.
  • Eine verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums.
  • Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums.
  • Der Nachweis einer Toleranz besteht: Um die ursprünglich durch niedrige Dosen erreichten Wirkungen der Substanz hervorzurufen, sind zunehmend höhere Dosen erforderlich.
  • Fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Substanzkonsums.
  • Anhaltender Substanz- oder Alkoholkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen körperlicher oder psychischer Art.
  • Drei oder mehr der folgenden Kriterien sollten zusammen mindestens einen Monat lang bestanden haben.

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