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Tablet, auf dem ein Twitteraccount mit Kriegsbildern zu sehen ist.
Legende: Wenn er selber in Syrien ist, postet auch Kurt Pelda Bilder des Krieges auf Twitter. SRF

Gesellschaft & Religion Der Krieg im Zeitalter der sozialen Medien

Soziale Medienkanäle wie Twitter oder Youtube verändern unser Erleben. Auch das des Krieges: Früher konnte eine Partei ihr Bild des Krieges zeigen, jetzt kann jede und jeder eigene Bilder publik machen. Sehen wir nun den Krieg, wie er wirklich ist? Nein, sagt der Kriegsreporter Kurt Pelda.

Zur Person

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Legende: SRF

Kurt Pelda begab sich erstmals mit 19 Jahren in afghanisches Kriegsgebiet, um zu filmen. Später war er Journalist bei der NZZ, auch als Korrespondent in Afrika und Asien. Seit 2010 reist er als freier Journalist immer wieder nach Syrien, Libyen und in den Irak. Über den syrischen Krieg und die sozialen Medien spricht Kurt Pelda auch am TEDx Zürich .

Bunte Lichtschweife, Rauch und Kracher. So flimmerten im Golfkrieg die Angriffe der USA auf den Irak in unsere Stuben. Wir sahen einen sauberen Krieg: keine Kämpfe, keine halbzerfetzten Toten, keine schreienden Verletzten. Höchstens den Abwurf einer Bombe, die exakt ein Gebäude zerstört. Der Krieg als Feuerwerk am Nachthimmel oder als Computerspiel: Man servierte uns genau das Bild, das wir haben sollten.

Wenn keine Journalisten mehr vor Ort sind

Das war vor 25 Jahren. Heute wäre es nicht mehr möglich, dass eine Kriegspartei die nach aussen dringenden Bilder derart in ihrer Hand hätte. Denn heute kann jeder, der Zeuge des Geschehens wird, in den sozialen Medien wie Twitter, Youtube oder Instagram seine eigenen Bilder vom Krieg veröffentlichen.

Mehr noch: In Syrien zum Beispiel sind im Moment die Bilder und Berichte in den sozialen Medien praktisch das einzige Material, auf das Medien zurückgreifen können. Denn unabhängige Journalisten befinden sich fast keine mehr vor Ort. Zu gross ist die Gefahr.

Bilder aus Propagandakanälen

Die Bilder, die wir im Fernsehen, in der Zeitung und in Onlinemedien sehen, stammen also nicht mehr nur aus einer Quelle, sondern aus ganz vielen. Die Darstellung des Krieges wird zu einem Mosaik aus vielen Steinchen. Das tönt nach einer objektiveren Ausgangslage. Wird das Bild dadurch differenzierter und kompletter? «Nein», sagt Kurt Pelda, der als Kriegsreporter immer wieder nach Syrien reist, und gerade eben wieder zurückgekehrt ist.

Beispiele von Social Media-Kanälen zu Syrien

«Zwar stammt das Material von vielen Akteuren, aber es sind meist Propagandakanäle. Es gibt in Syrien auf Seite der Rebellen hunderte von Kampfgruppen, die auf eigenen Youtube-Kanälen ihre Videos verbreiten.» Dasselbe gelte für die anderen Parteien wie die syrische Regierung oder die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), deren Videos jetzt zwar blockiert werden, die aber auf Plattformen wie JustePaste.it oder Archive.org ausweicht und ihr Material via Twitter verlinkt.

Die Grauzone verschwindet

Es ist das Material, das unsere Wahrnehmung des Krieges prägt. Vor allem die Videos brennen sich ein. Kurt Pelda: «Vom IS zum Beispiel entsteht das Bild einer superbrutalen, unbesiegbaren und homogenen Organisation. Das ist Teil ihrer Propaganda, aber das stimmt so nicht.»

Gleichzeitig werde in westlichen Medien meist nur auf die mächtigen Kriegsparteien wie das Assad-Regime und den IS fokussiert. Die Grauzone dazwischen verschwindet, sagt er, und das seien Millionen von Menschen: «Das ist, wie wenn nach dem Wahlsieg der SVP im Ausland der Eindruck entsteht, dass alle Schweizer SVP-Anhänger sind. Dabei haben über 70 Prozent andere Parteien gewählt.»

Akribisches Aufdecken

Schlimmer noch: Immer wieder werden auch von Schweizer Medien Bilder kritiklos weiterverbreitet, die offensichtliche Fälschungen sind. Dazu zählt für Kurt Pelda auch, wenn die russische Seite aus Syrien das Video einer einschlagenden Bombe mit dem Hinweis veröffentlicht, dass das Ziel zum IS gehörte. Wenn man dann auf Google Earth anhand der Geländelinien und Gebäude nachprüfe, wo das Video aufgenommen wurde, merke man: Den IS gibt es in diesem Gebiet gar nicht.

Einer, der solchen Dingen auf den Grund geht, ist der Brite Elliot Higgins . Früher war er Buchhalter, heute beschäftigt er sich intensiv mit dem Krieg in Syrien. Er ordnet und untersucht akribisch hunderte von Bildern. Und findet so heraus, wo sie aufgenommen wurden und ob die Kleider, Waffen und Embleme der Kämpfer stimmen. Obwohl er noch nie selbst in Syrien war, hat er entscheidend beigetragen, Propaganda als falsch zu entlarven.

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Unverfrorene Falschinformationen

Kurt Pelda wünscht sich, dass mehr Leute wie Elliot Higgins Informationen genau verifizieren sollten. Aber man müsse als Journalist auch selber vor Ort sein: «Wenn man die Gegend kennt, sieht man manchmal sofort, wenn ein Video nicht vom angegebenen Ort stammt.» Das sei nötiger denn je. Zwar habe es auch in früheren Kriegen Falschinformationen gegeben. «Aber heute werden in den sozialen Medien völlig unverfroren Dinge, die von jedem nachprüfbar sind, falsch dargestellt. Das macht die Sache komplett anarchistisch und unkontrollierbar.»

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