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Auf dem Markt: ein alter Mann mit Béret, Karo-Hemd und Akkordeon
Legende: Kommt kaum zum spielen, weil er ständig Freunde begrüsst: der Akkordeonist auf dem Markt von Mazère. Birgit Kaspar

Gesellschaft & Religion Gut essen, besser trinken: Neue alte Geselligkeit in Frankreich

Geselliges Miteinander, gepaart mit gutem Essen und süffigem Wein: So lautet im Südwesten Frankreichs das Grundrezept für ein glückliches Leben. In den langen dunklen Nächten um die Wintersonnenwende rückt man in den Dörfern gerne noch näher zusammen. Ein Augenschein vor Ort.

Es duftet nach Holzkohlenfeuer, gegrilltem Fleisch und Glühwein. In der alten, geräumigen Markthalle aus rotem Backstein drängen sich die Leute vor langen Tischen. An ihnen werden Stopfgänse, Enten sowie Foie gras feilgeboten. Von der Decke hängen zwei Schweinehälften herunter. Neben ihnen rührt Cécile Wurstbrät an. Ein Akkordeonspieler mit schwarzer Baskenmütze und klobigen Holzschuhen unterbricht seine Melodien häufig. Um Freunde zu begrüssen.

Die «Foire du gras» und die «Fête de cochon» ziehen Menschen aus der ganzen Region in die Kleinstadt Mazères am Fusse der Pyrenäen, 60 Kilometer südlich von Toulouse. Nach traditionellen Rezepten stellen Metzger vor den Augen der Besucher Würste und andere Spezialitäten vom Schwein her. Die Neugierigen dürfen gratis probieren und einen Glühwein gibt es dazu. Denn bei diesem Marktfest geht es nicht so sehr ums Verkaufen. Sondern um die «convivialité».

Ein Marktstand: Ein halbes Schwein hängt von der Decke, daneben steht eine Frau mit dickem Schal und roter Schürze.
Legende: Schwein gehabt? Auf dem Markt von Mazères geht es ums Verkaufen. Aber auch um Geselligkeit. Birgit Kasper

Das Fernsehen ist schuld

Raymond steht in roter Schürze vor einem Drahtzylinder, der sich über dem offenen Holzfeuer dreht. Er röstet Maroni. So wie früher. Hier wird die bäuerliche Tradition gepflegt. Nicht nur die des Handwerks: auch die des Zusammenrückens.

Märkte wie dieser in Mazères hätten nichts mit ihren kommerziellen Namensbrüdern in grossen Städten gemein, erklärt der 68-Jährige. Hier sei man unter Freunden, man unterstütze sich gegenseitig. Es sei ein bisschen wie früher, als man in den kalten, langen Winternächten zum Kastanienrösten und Geschichtenerzählen in den Dörfern zusammenkam. Raymonds Augen blitzen verschmitzt unter der roten Baskenmütze. «Damals gab es keine Fernseher und all das. Man traf sich bei den Nachbarn. Das Fernsehen hat vielen Dingen ein Ende bereitet.»

Maroni und Millas

Etwas wehmütig erinnert sich auch Henri an die Zeit des winterlichen Miteinanders in seinem Dorf. Die jungen Männer in Belloc trafen sich mal beim einen, mal beim anderen Nachbarn zum Maiskolben schälen – abends nach der Arbeit. «Es gab hausgemachten Wein dazu, und wir arbeiteten oft bis ein Uhr nachts. Danach assen wir gemeinsam. Meist gegrillte Maroni und zum Nachtisch Millas – eine Art Maispolentaschnitte.»

Ein Mann an einem alten Maronen-Grill wird von einer Frau interviewt.
Legende: Geselliges Nebeneinander: Der Maroni-Ofen ist von damals – das Tonband von heute. Birgit Kaspar

Henri lacht vielsagend: «Und zum Schluss wurde es ziemlich fröhlich bei Kaffee und selbstgebranntem Pflaumenschnaps.» Dem heute 80-Jährigen fehlen diese gemeinsamen Abende. Deshalb ziehe es ihn zum Marktfest in Mazères. Da finde er etwas von dieser Stimmung wieder.

Kalte Welt, heisser Grill

Besucher wie Jacques und seine Frau kommen auch jedes Jahr zur «Foire du Gras». «Es ist schön, die Leute fühlen sich wohl, sie probieren, was sie wollen und treffen Freunde.» Die Formel geht auf: Die Gäste wie diejenigen, die die leckeren Häppchen anbieten, geniessen den Tag. An allen Ständen erzählt man einander Geschichten, es wird gescherzt und viel gelacht.

Radioserie zwischen den Jahren

Box aufklappen Box zuklappen
Maskierte Harderpotschete treiben während einem Umzug am Berchtoldstag in Interlaken ihren Unfug.
Legende: Keystone

«Rauhnächte und Wintersonnwende» heisst die Serie auf SRF 2 Kultur, die winterliche Bräuche aus der ganzen Welt vorstellt.

Dem Bürgermeister von Mazères, Louis Marette, liegt es am Herzen, diese Traditionen des alten «savoir faire» und des geselligen Miteinanders zu pflegen. Natürlich müsse man auch die Zukunft planen, so Marette. «Aber wir brauchen das Festhalten an den Bräuchen der Vergangenheit. Insbesondere vielleicht weil man uns dieser Form des Zusammenrückens beraubt hat: in einer Welt, die immer inhumaner und unpersönlicher wird. Die uns mehr trennt als eint.»

In dieser düsteren Zeit der besonders langen Nächte ist es den Menschen am Fusse der Pyrenäen deshalb mehr denn je ein Bedürfnis, zusammen zu kommen, zu teilen und zu feiern.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 28.12.2015, 16:45 Uhr

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