Ein «Geschichtenspeicher» ist www.meet-my-life.net . Auf der Datenbank lassen sich online Lebensgeschichten nachlesen. Es sind Autobiografien – nicht von den Grossen und Mächtigen, nicht von VIPs, Politikerinnen oder Sängern. Nein, ganz normale Leute berichten aus ihrem Leben: Jeder kann mitmachen, jede ihre Geschichte erzählen.
Lebensgeschichten festgehalten
Mitgemacht haben bereits ehemalige Nonnen, Fremdenlegionäre oder Verdingkinder, die schriftlich aus ihrem Leben berichten und ihre alltäglichen Erfahrungen der Öffentlichkeit zugänglich machen.
Gründer des «Geschichtenspeichers» ist der pensionierte Manager Erich Bohli. Sein Ziel ist es, mündlich überlieferte Geschichte – Oral History genannt – zu verschriftlichen und sie so für die Ewigkeit zu bewahren.
Oral History ist der Fachbegriff für eine geschichtswissenschaftliche Methode, die mittels Zeitzeugen-Interviews Geschichte demokratisiert. Berühmt sind etwa die Video-Interviews mit Holocaustüberlebenden der Gedenkstätte Yad Vashem .
Man muss kein Schriftsteller sein
Erich Bohlis «www.meet-my-life.net» ist anders. Die Plattform entwickelt die Interviewsituation weiter. 500 konkrete Fragen strukturieren den Schreibprozess der Autoren, das heisst, die Autobiografie setzt sich zusammen aus den Antworten auf diese Fragen.
Ein Schreibkonzept, das von der Universität Zürich mit Unterstützung des Instituts für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft (ISEK) entwickelte wurde.
Wunderbares zu erzählen – von Anfang an
Fragen wie «Was ist deine erste Erinnerung in deinem Leben?», «Wie war deine Hochzeit?», «Wenn du auf dein Leben zurückblickst, worauf bist du besonders stolz?» werden gestellt.
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Über diese Fragen wird das Grossprojekt Autobiografie zu einer weniger schwierigen Aufgabe: «Man muss nicht schreiben können. Man muss nur Fragen beantworten, angefangen mit ‹Was weisst du über deine Geburt?› Jeder kann allein dazu schon wunderbare Dinge erzählen», sagt Erich Bohli.
Jede Geschichte hat einen Wert
Erich Bohli hofft, gerade Erinnerungen und Lebenserfahrungen von Menschen zu sammeln, die sich eine Autobiografie erst mal nicht zutrauen. Denn jede Lebensgeschichte sei es wert, dokumentiert zu werden.
Der Initiant der Plattform hebt die roten Fäden hervor, die sich aus der Menge von Erfahrungen herauskristallisieren, wenn man sie sammelt: Prügelstrafen in der Schule, das wöchentliche Familienbad, ein Zuber warmes Wasser für alle in der Küche. Geschichte wird als erlebter Alltag bewahrt und vermittelt.
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Dunkle Kapitel sollen aufgeschlagen werden
Rund 60 Autobiografien sind bereits nachzulesen. Weit mehr Autorinnen und Autoren schreiben derzeit an ihrer Autobiografie.
Darunter sind auch vier ehemalige Verdingkinder. Erich Bohli hebt hervor, dass dieses dunkle Kapitel Schweizer Geschichte nie vergessen werden dürfe, auch jetzt nicht, nachdem den Opfern vom Bund Geld zugesprochen worden sei: «Man muss diese Geschichten, die vielleicht auch in den offiziellen Geschichtsbüchern nicht so erzählt werden, wie sie sollen, eins zu eins – sprich authentisch – lesen können.»
Eine Plattform wie www.meet-my-life.net versucht hier zweifach anzuschliessen:
Indem der unmittelbare Zugang zu den Lebenserinnerungen von Verdingkindern für Leserinnen und Leser gewährleistet wird und indem die ehemaligen Verdingkinder ermutigt werden, ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 20.09.2016, 17:08 Uhr.