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Nahaufnahme von Boris Johnson, der in die Ferne blickt und sich die Hand über die Augen hält.
Legende: Legt er seine politische Position anhand seines Karriereplans fest? Boris Johnson, bis vor Kurzem Londons Bürgermeister. Reuters

Gesellschaft & Religion Londons Ex-Bürgermeister Boris Johnson hat ein neues Amt im Blick

Seine zweite Amtszeit als Bürgermeister der grössten Metropole Europas ist zu Ende. Aber der ehrgeizige Konservative Boris Johnson bleibt im Rampenlicht: Als Kampagnen-Galionsfigur für einen britischen Austritt aus der EU und als Anwärter auf das Amt des Premierministers.

Der kanadische Zeitungsmagnat Conrad Black – selbst ein verurteilter Betrüger – nannte den inzwischen knapp 52-jährigen Boris Johnson einmal einen «verschlagenen Fuchs im Kostüm eines Teddybären». Das trifft trotz dem zweifelhaften Ruf der Quelle ins Schwarze.

Ehrgeiz und Gefallsucht

Johnson – Absolvent der Eliteschule Eton und eines Altertum-Studiums in Oxford – wurde zweimal von den Londonern, die gemeinhin eher linke Präferenzen haben, zum Bürgermeister gewählt. Kein britischer Politiker hat einen grösseren Wählerrückhalt vorzuweisen. Denn Johnson erweckt über die Parteigrenzen hinweg Populärität und Zustimmung.

Dabei bleiben sein Leistungsausweis und sein politisches Profil wässrig. Er spielt eben die Rolle, die ihm auf den Leib geschrieben ist: Boris. Sprachgewaltig, hochgebildet und schlau dreht er unangenehme Fragen humorvoll in ein Wortspiel, vorzugsweise mit lateinischen Zitaten.

Kein geifernder EU-Gegner

Seine journalistische Karriere begann mit einer Entlassung, weil er ein Zitat erfunden hatte. Seine politische Karriere führte bald schon in eine Sackgasse, weil er seinen Parteichef über eine seiner zahlreichen Affären belogen hatte. Doch er kehrte immer wieder zurück an die Frontlinie, mit einem Scherz und einem unwiderstehlichen Fototermin. Johnsons Karriere folgt weniger politischen Kriterien als vielmehr den Gesetzmässigkeiten einer «Celebrity».

Obwohl der chronisch ungekämmte Johnson sich seine Sporen als Brüsseler Korrespondent des konservativen «Daily Telegraph» mit ätzender Kritik an den Auswüchsen der Europäischen Union abverdient hatte, galt er nicht als geifernder EU-Gegner. Seine Nähe zu den Spitzen des Londoner Finanzplatzes liess vielmehr vermuten, dass er am 23. Juni für den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU stimmen würde.

«Brexit» als Karriere-Sprung

Doch es kam anders: Kurz nachdem Premierminister David Cameron mit den exakten Konditionen einer fortdauernden EU-Mitgliedschaft aus Brüssel heimgekehrt war, gab Boris seinen Wunsch nach einem «Brexit» theatralisch bekannt. Zusammen mit Justizminister Michael Gove führt er das Lager der konservativen EU-Gegner an. Im Gegensatz zur fremdenfeindlichen Ukip-Partei von Nigel Farage, die den Austritt zur Drosselung der Einwanderung herbeisehnt, unterstreichen Johnson und Gove eher den Wunsch nach entfesselter Souveränität und Deregulierung.

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Johnsons Entscheidung, so urteilten die meisten Beobachter nüchtern, entsprang seinem Karriereplan: Falls sein alter Schul- und Universitätskollege Cameron das Referendum verlöre, müsste er sein Amt abgeben. Und wer böte sich dann als Ausdruck des Wählerwillens an? Boris.

Der Zweck des Lebens

Auch manchen Konservativen bereitet diese Aussicht Bauchschmerzen. Der Kolumnist Matthew Parris, einst selbst ein konservativer Abgeordneter, warnte seine Partei scharf vor dieser Option. Denn, so Parris, Johnson erstrebe Ämter als Trophäen; er hege keine Absicht, etwas Sinnvolles mit einem Amt anzufangen, sobald es einmal errungen sei.

Johnson mangelt es nicht an grauen Zellen, wohl aber, so argumentieren seine Kritiker, an Fleiss. Sein Geschick mit Improvisation und Ausflüchten erlaubt ihm ein allzu oberflächliches Aktenstudium. Es findet Zeit, historische Bücher zu schreiben und Fernseh-Dokumentationen zu präsentieren, seine fürstlich bezahlte Kolumne im «Daily Telegraph» erscheint ohne Ausnahme. Mit anderen Worten: Er widmet sich seiner Karriere als «Celebrity» mit weit mehr Inbrunst als seinem politischen Beruf. – Für einen Premierminister wäre dieser Ansatz wohl verheerend.

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