Wie fast jeden Abend stand der junge Musiker Andrew Kalleen auch an jenem verhängnisvollen Wochenende in der Subway-Station Lorimer Street in Brooklyn. Während er auf seiner Gitarre spielte, forderte ihn ein Polizist auf, die U-Bahn-Station zu verlassen. Kalleen weigerte sich, der Polizist wurde aggressiv. Er riss Kalleen die Gitarre weg, legte ihn in Handschellen. Eine Passantin filmte die Szene mit ihrem Handy. Das Video wurde auf Youtube bereits mehr als eine Million Mal aufgerufen.
Dank dem Video rückt die Situation der Busker, wie die New Yorker Strassenmusiker hiessen, endlich in den öffentlichen Fokus. Matthew Christian, Leiter der Interessenvertretung BuskNY für Strassenkünstler, sieht in der Verhaftung auch etwas Positives. «Dank der Verhaftung haben wir es geschafft, innert 48 Stunden eine Demonstration zu organisieren.»
Polizei kennt Bestimmungen nicht
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Musikerinnen und Musiker seien immer wieder der Polizeigewalt, Wegweisungen, Bussen oder Verhaftungen ausgesetzt, so Matthew Christian. Obwohl das Musizieren in der U-Bahn New Yorks seit 1985 legal ist. «Eine Bewilligung braucht es nicht.» Tatsächlich heisst es in den Verhaltensvorschriften der Verkehrsbetriebe, erlaubt seien «künstlerische Darbietungen und das Entgegennehmen von Spenden».
Das Problem sei die Unwissenheit vieler Polizisten. «Die Polizisten kennen oft die Bestimmungen nicht.» BuskNY sucht deshalb das Gespräch mit der New Yorker Polizei NYPD sowie den Verkehrsbetrieben MTA. «Wir verlangen, dass Polizisten besser ausgebildet werden über die Rechte von Subway-Künstlern.»
Subway-Performing als Kulturgut
«Musik in der Subway gibt es seit der Eröffnung der ersten U-Bahn vor 110 Jahren», sagt der demokratische New Yorker Stadtrat Steven Levin. «Sie sind ein Teil der New Yorker Kultur.» Levin vertritt die Rechte der Strassenkünstler in der Politik. Zurzeit laufe es in eine völlig falsche Richtung. Man müsse etwas ändern, wenn das Kulturgut der Busker in New York erhalten werden solle.
Populär wurde diese Kunstform in New York durch Immigranten während der Zeit der grossen Depression in den 1930er-Jahren. Vorwiegend italienische Orgeldreher oder deutsche Marschkapellen beschallten damals die Stadt. Schon zu jener Zeit schienen die Behörden mit dieser Kunstform überfordert. Artisten galten als Bettler und Belästigung. Stadtpräsident Fiorello LaGuardia verbot deshalb das Musizieren in der Öffentlichkeit. Künstler wie Woody Guthrie, Pete Seeger spielten trotz Verbot – etwa, während sie auf den nächsten Zug warteten. Die Bewegung nannte sich «American Folk Revival Movement» – mit Musik wurde der öffentliche Raum zurück erobert.
Folk-Rock ist populär
«Die Subway ist ein Ort, der zeigt, dass es im Leben mehr gibt als Geld und Arbeit», sagt Chris Rinken. Er musiziert selbst in der Subway und passt sein Folk-Programm jeweils dem Publikum an. «Wenn ein Liebespaar die Treppe hinunter kommt, spiele ich einen Love-Song.» Auch akustisch sei die Subway toll, der Hall des Untergrunds sei fast magisch. Rinken weiss genau, welcher Stil zurzeit bei Buskern beliebt ist. «Vor etwa zwei Jahren hörte man viel Bluegrass, nun ist Folk-Rock sehr verbreitet.»
Mit dem Spielen in der U-Bahn werde man zwar nicht reich, aber viele der Künstler könnten sich etwas dazuverdienen oder mindestens etwas zu Essen kaufen. Zwei seiner Freunde hätten kürzlich gleichzeitig auf gegenüberliegenden Plattformen gespielt. «Der eine Violine, der andere Banjo: Die haben gleichzeitig zweimal Geld verdient, grossartig».