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Zeichung: Mann mit Narrenkappe bildet mit seinen Fingern ein Schweizerkreuz.
Legende: Wie steht es um die Satire in der Schweiz? Titelblatt des «Nebelspalter» vom Juni 1998. Keystone

Gesellschaft & Religion Satire in der Schweiz: «An der Oberfläche wird kräftig gekratzt»

Die Schweiz debattiert, was Satire darf und was nicht. Doch spannender ist die Frage: Was soll Satire eigentlich? Der deutsche Kultur-Redaktor Arne Kapitza spricht im Interview über verdrehte Tatsachen, Grenzen des guten Geschmacks und warum die Schweiz eine erfreuliche Satirekultur entwickelt.

Wie weit darf Satire gehen? Wo liegen die Grenzen des Witzes? In der Schweiz werden diese Fragen momentan fleissig debattiert. Grund für die aufgeflammte Satiredebatte sind drei Namen: Tschäppät, Frau Mgubi und Massimo Rocchi.

Der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät war es, der mit öffentlichen Italienerwitzen in seinem Comedyprogramm aneckte. Nicht besser erging es der Komikerin Birgit Steinegger: Im satirischen Jahresrückblick «Endspott» von SRF mimte sie in einem Sketch Frau Mgubi, eine Schwarzafrikanerin, die Steinegger schon mehrfach gespielt hatte – bisher ohne grosse Reaktionen oder Folgen. Frau Mgubi ist eine Figur, und das war der Stein des Anstosses, mit dunkel gefärbtem Gesicht und auffällig dicken Lippen. «Blackfacing» sei grundsätzlich eine rassistische Kulturtechnik, kritisierten die Berner Kulturschaffenden Samuel Schwarz und Raphael Urweider.

Und schliesslich war es der italienisch-schweizerische Komiker Massimo Rocchi, der für Unmut sorgte. Mit Äusserungen über jüdischen Humor in der SRF-Sendung «Sternstunde Philosophie» musste er Antisemitismus-Vorwürfe einstecken – der Basler Musiker David Klein reichte Anzeige ein.

Doch spannender als die Frage, was Satire darf oder nicht darf, ist die Frage: Was soll Satire eigentlich? Welche Funktion erfüllt sie in der Gesellschaft? Eine klare Antwort auf diese Frage hat der deutsche Kleinkunst- und Satire-Spezialist Arne Kapitza, Redaktor und Moderator bei HR2-Kultur, dem Kulturradio des Hessischen Rundfunks.

Arne Kapitza, was soll denn Satire überhaupt?

Satire ist eine Kunstform, die überspitzt und Dinge manchmal auch verdreht, um Themen an die Öffentlichkeit zu bringen, die man anders nicht so gut ausdrücken kann. Man kann so Aufmerksamkeit für ganz paradoxe Sachen schaffen. Der Politiker, der grosse Versprechungen macht und nur wenig davon halten kann, ist natürlich Gegenstand der Satire. Das spitzt man dann zu und man sieht eine Sache klarer.

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Ist es nötig, dass Satire ganze Bevölkerungs- oder Glaubensgruppen verletzt?

Nein, nötig ist es nicht, es ist nur manchmal ein Begleitumstand. Wenn sich der Satiriker bemüht, die Dinge wie ein guter Karikaturist zu überzeichnen, die Figuren übertrieben darzustellen und Konflikte extrem aufeinander prallen zu lassen und persönliche Eigenschaften richtig zuzuspitzen, dann kann es kaum ausbleiben, dass es dabei auch Leute gibt, die sagen: Das ist aber jetzt übertrieben, geschmacklos oder obszön. Dadurch, dass es an die Grenzen des guten Geschmacks geht, wird es bei guter Satire immer Leute geben, die sich unangenehm berührt fühlen. Aber ich würde sagen, manchmal ist es wichtiger, etwas in die Öffentlichkeit zu stellen und diese Kunstform zu pflegen, als sich deswegen unnötig zurückzuhalten.

Sie haben es gesagt: Satire muss zuspitzen. Aber da kann es leicht vorkommen, dass die Satiriker über das Ziel hinausschiessen.

Ja, das kann schon sein, und zwar in zwei Fällen: Ich finde die Grenze bei Satire ist die menschliche Würde. Wenn also jemand so dargestellt wird, dass ihm alles Menschsein abgesprochen wird – wenn er mit Tieren verglichen oder auf fürchterlichste Weise misshandelt wird. Da finde ich schon, dass das Persönlichkeitsrecht oder auch manchmal der Jugendschutz vor der Kunstfreiheit stehen muss. Insbesondere, und das ist jetzt der zweite Punkt, wenn es sich um mächtige Institutionen handelt. Wenn der NS-Staat früher im «Stürmer», also dem Naziblatt, jüdische Menschen erniedrigte, dann ist das für mich auch keine Satire mehr, dann ist das einfach Machtmissbrauch und Persönlichkeitszerstörung. Dann ist das eine Straftat, eine unmoralische Handlung.

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Satire hat normalerweise die umgekehrte Richtung: Die Schwachen werden verteidigt. Bankfunktionäre, die grossen Betrug gemacht haben, Politiker, die korrupt sind, müssen sich – in der Demokratie jedenfalls – mehr anhören und ein dickeres Fell haben als die Kleinen. Deswegen würde ich genau da einen Unterschied machen, trotzdem dürfen auch Politiker oder der Papst nicht in ihrer Würde beschädigt werden.

Wie sehen Sie das: Sind die Menschen in der Schweiz empfindlicher geworden, gehen sie heutzutage rascher zum Richter, wenn Satire die Grenze kratzt?

Es scheint so, dass es im Verlauf des letzten Jahres so gewesen ist und es mehrere Fälle gab. Was ich aber erfreut feststelle: Die mir eher brav erscheinende Schweiz hat inzwischen eine ganz kräftige Satirekultur entwickelt. Um nur einen Namen zu nennen: Andres Thiel ist mit seinen Politsatiren wirklich auf sehr hohem Niveau. Was seinen Wagemut anbelangt, Politiker, Wirtschaftskapitäne und auch fundamentalistisch religiöse Menschen anzugreifen, finde ich sehr gut.

Ich glaube, die Bereitschaft zu etwas mehr konfrontativen, bissigen Auseinandersetzungen ist gestiegen. Das ist wahrscheinlich auch ein Spiegel von zunehmenden Konflikten in der Gesellschaft, will ich mal vermuten. Also eben nicht immer nur die schöne Konkordanz bejubeln – da wird an der Oberfläche kräftig gekratzt. Gemessen am höheren Pegel der Satireintensität, finde ich eigentlich nicht, dass das Prozessführen zugenommen hätte, da wurden sehr grosse Fortschritte erzielt.

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