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Schutz von Zivilpersonen Genfer Konventionen sollten Zivilisten in Kriegszeiten schützen

Am 12. August 1949 bekommt der Krieg neue Regeln. Zivilpersonen sollen geschützt werden. Wie steht's heute damit?

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Genfer Konventionen von 1949 sollen Zivilpersonen in Kriegszeiten besser schützen.
  • Andreas Zumach, UNO-Korrespondent in Genf, findet die Konventionen nach wie vor ausreichend. Es fehle einzig an der Durchsetzung.
  • Zumach kritisiert die systematische Aushöhlung der Konventionen scharf.

Den Krieg zivilisieren

Die Schweizer Filmwochenschau vom 29. April 1949 berichtet über ein besonderes Ereignis in Genf von weltweiter Bedeutung: Auf Einladung des Schweizer Bundesrates tagt vom 21. April bis zum 12. August 1949 eine internationale Kommission unter Vorsitz von Bundesrat Petitpierre über vier neue Konventionen. Die vierte sieht vor, Zivilpersonen im Krieg zu schützen. Ein so notwendiger wie grosser Anspruch.

Zur Person

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Fotografie eines weissen Manns mit braunen Haaren inkl. Geheimratsecken. Er trägt eine braun gerahmte Brille.
Legende: PRIVAT

Andreas Zumach arbeitet seit 1988 als freier Journalist am UNO-Sitz in Genf. Er ist Korrespondent für die «tageszeitung» in Berlin sowie für Rundfunkanstalten wie die BBC und für deutschsprachige Zeitungen und Fernsehanstalten.

2009 wurde ihm der Göttinger Friedenspreis verliehen.

Andreas Zumach ist seit fast 30 Jahren UNO-Korrespondent mit Sitz in Genf. Er berichtet für internationale Medien über die Entwicklungen des Völkerrechts sowie über Menschenrechts-, Sicherheits- und Friedenspolitik. Fragt man ihn nach dem denkwürdigen Ereignis von 1949, dann erinnert er sofort an den historischen Kontext der Genfer Konventionen:

«Erinnern muss man an diesen ersten Impetus, den Krieg zu zivilisieren. Der geht zurück auf die Schlacht von Solferino von 1859, wo 40'000 Tote und Schwerverwundete auf dem Schlachtfeld zurückblieben und unversorgt elend krepierten.»

Für Henri Dunant, der dies miterlebte, war es das existentielle Schlüsselerlebnis. Ein Jahr nach Solferino wurde der Vorläufer des Internationalen Roten Kreuzes gegründet, die ersten Massnahmen zur Versorgung Verwundeter beschlossen. Der Krieg wurde «zivilisiert».

Die Situation 1949

«Jetzt, 1949, also 70 Jahre nach Solferino, muss man feststellen, dass viele fürchterlichere Waffen in Flächenbombardements eingesetzt werden, mit Massivität auch gegen Zivilisten. Das geschah durch die Nazis mit dem Bombardement von Coventry, wo militärische Ziele zwar getroffen, aber zivile Opfer in Kauf genommen wurden. Es gilt aber auch für die Vergeltungsbombardements nicht nur von Dresden, auch von Würzburg mit dem Kalkül, wenn die Zivilbevölkerung getroffen wird, dann wird sie auch gegen Hitler aufstehen.»

Die Situation 1949 ist von diesen Ereignissen geprägt und von der Ermordung von sechs Millionen Juden und dem unmenschlichen Umgang mit sowjetischen Kriegsgefangenen. «Den Krieg zu zivilisieren, ist 1949 eine Notwendigkeit.»

Darüber sind sich alle Beteiligten in Genf im Klaren und unterzeichnen am 8. Dezember 1949 die Konventionen, wie die SFW in ihrer Ausgabe vom 16.12.1949 berichtet.

Buchhinweis

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Andreas Zumach: «Globales Chaos – machtlose Uno. Ist die Weltorganisation überflüssig geworden?». Rotpunktverlag, 2015.

Heute sind 90 Prozent der Opfer zivile Opfer

Den Schutz der Zivilpersonen zu definieren, ist 1949 wichtiger denn je: «Waren in den Kriegen von 1870/71 und im Ersten Weltkrieg noch 90 Prozent der Opfer Soldaten, sind die Opfer im Zweiten Weltkrieg je zur Hälfte zivile und militärische. Heute sind es 90 Prozent zivile Opfer und 10 Prozent Soldaten», sagt Andreas Zumach.

Die vierte Konvention von 1949 definiert klar, was im Kriegsfall verboten ist: der Beschuss von Krankenhäusern, Trinkwasserleitungen und von Versorgungseinrichtungen. Das passiert aber gerade in Syrien. «Als professioneller Beobachter seit den 1970er-Jahren muss ich sagen, der ganze Ansatz ist zum Alibi geworden. Er funktioniert immer weniger», sagt Zumach.

«Die Frage ist, wer überwacht und sanktioniert die Einhaltung der Konventionen? Immer offener tritt zu Tage, dass vieles geregelt ist, aber es wird nicht eingehalten. Das sind ganz klar Verbrechen gegen die Menschlichkeit.»

Genfer Abkommen von 1949

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Doppelte Standards bei der Einhaltung

So offensichtlich diese Verbrechen sind, so wenig entschlossen werden sie verfolgt: «Dazu müsste die UNO den Fall aufgreifen, im Sicherheitsrat den Beschluss fassen, den Fall an den internationalen Strafgerichtshof zu übergeben. Dies geschah im Fall Syrien bislang nicht. Der syrische Machthaber Assad wird weiterhin geschützt.»

Daraus ergibt sich «ein Problem der Selektivität», wie Andreas Zumach das nennt. Manche Kriegsverbrechen werden verfolgt, andere nicht. Im Irakkrieg von 2003 habe es 900'000 Tote gegeben, sagt Zumach, die meisten von ihnen seien Zivilisten gewesen und durch verseuchtes Trinkwasser gestorben.

«Das ist genauso völkerrechtswidrig wie die Gräuel, die im Foltergefängnis Abu Ghraib passierten. Da sind bis heute nur Unterrangige zur Rechenschaft gezogen worden. Doppelte Standards unterminieren die Glaubwürdigkeit und Durchsetzung der seit 1949 vereinbarten Normen.»

Der Mythos vom sauberen Krieg

Zumach widerspricht ausdrücklich der These, wir befänden uns heute, was die Kriegsführung angeht, in einem neuen Zeitalter. Seit den 1990er-Jahren habe sich der Mythos gebildet, es gebe einen quasi sauberen Krieg, der gegen marodierende Banden oder Terroristen vorgehe, die sich nicht an Konventionen halten.

Geneva Call

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Geneva Call hat sich dem «Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten» verschrieben.

Wer Geneva Call ist, was sie tun, wie sie arbeiten, erfährt man auf der Webseite sowie eine aktuelle Erfolgsmeldung zum Krieg in Syrien ist hier zu finden.

Wenn Andreas Zumach auf die letzten 30 Jahre schaut, in denen er aus Genf berichtet hat, dann zeige sich, dass sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Akteure sich nicht an die Regeln halten.

Mit dieser Sicht steht er nicht allein. In Genf hat sich vor neun Jahren «Geneva Call» gegründet, eine Organisation, bestehend aus ehemaligen Delegierten des Roten Kreuzes, die mit bewaffneten nicht staatlichen Akteuren Kontakt aufnehmen, damit diese die Regeln einhalten.

Den sauberen Krieg hat es nie gegeben. Im Kampf gegen den Terrorismus wird er jedoch ins Feld geführt. «Heute, 16 Jahre nach 9/11, muss man sagen, dieser Krieg ist restlos gescheitert. Um nicht zu sagen – kontraproduktiv verlaufen.»

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