Internet-Oscar - Beim Grimme Online Award sucht man Experimente vergeblich
Beim Grimme Online Award werden herausragende Netz-Angebote geehrt. Die Gewinner dieses Jahres zeigen allerdings, dass das Web auf bewährte Formate setzt. Innovation sucht man vergebens.
Er gilt als Oscar für Online-Angebote: Der deutsche Grimme Online Award. Bei der diesjährigen Verleihung wurden acht herausragende Netz-Angebote geehrt.
Gleich vier Preise gab es in der Kategorie «Kultur und Unterhaltung», in der Kategorie «Information» wurde niemand ausgezeichnet. Dies sei jedoch kein «inhaltliches Signal», betonte Jurypräsident Kai Heddergott an der Preisverleihung: Die Jury sei so frei, dass sie die Preise ohne Beachtung der Kategorien vergibt.
Fokus auf der Kultur
Frauke Gerlach, Direktorin des Grimme-Instituts, bedauert, dass es dieses Jahr keine Auszeichnung im Bereich «Information» gab.
Andererseits sei das ein positives Signal für den Kulturbereich: «Die Jury hat den Fokus dieses Jahr auf ‹Kultur und Unterhaltung› gelegt. Bei den vier Gewinnern wiederum liegt der Schwerpunkt auf Kultur – und nicht auf Unterhaltung.» Das käme selten genug vor: «Kultur fällt gerne hinten runter.»
Kaum neue Formen
Die Gewinner 2018 kann man ruhig als solide bezeichnen. Unter den Preisträgern finden sich Youtube-Kanäle, Instagram-Accounts oder multimediale Webreportagen: alles bewährte und etablierte Kanäle und Formen. Experimente fehlen.
Inhaltlich gibt es ebenso wenig Überraschendes: Die Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim erklärt auf ihrem Youtube-Kanal Alltagsfragen
(«Ist ein Smoothie wirklich gesünder als Cola?»)
, wissenschaftlich und fundiert. Als Form ist das nicht neu – allerdings macht Nguyen-Kim das mit viel Humor und Souveränität.
Beim Webprojekt
«Bewegte Jahre – Auf den Spuren der Visionäre»
des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg verschwimmen Fakten mit Fiktion. Der emotionale Zugang zu den vielen Exponaten des Museums ist damit gut gelungen – doch formal wurde hier nicht experimentiert. Als User darf man sich durch viel Text und viele Bilder durchscrollen.
Der Grimme Online Award
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Seit dem Jahr 2001 werden vom Grimme-Institut Online-Angebote mit dem
Grimme Online Award
ausgezeichnet. Maximal acht nicht dotierte Preise werden vergeben. Sie verteilen sich auf die vier Kategorien «Information», «Wissen und Bildung», «Kultur und Unterhaltung» sowie «Spezial» für publizistische Onlineangeboten. Ausserdem gibt es einen Publikumspreis.
«In der Tat sehen wir hier eine Konsolidierung», sagt Frauke Gerlach. Doch die Zeit der Experimente im Web sei keineswegs vorbei. Man müsse das als Momentaufnahme verstehen: «Es gibt Jahrgänge, in denen man viel Innovatives sieht, und Jahrgänge – wie dieses Jahr – in denen wir viel Bewährtes sehen.»
Für Gerlach sind diese wenig experimentellen Webprojekte allerdings nicht ernüchternd: «Wir sehen ja im Moment nicht, womit experimentiert wird. Wer weiss, was sich da gerade entwickelt. Ehrlich gesagt, erwarte ich da auch was. Wenn wir in zwei Jahren dasselbe Fazit ziehen wie heute, dann wäre ich enttäuscht.»
Die Gewinner des Grimme Online Award 2018
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Kategorie Kultur und Unterhaltung
Sommers Weltliteratur to go
, Youtube-Kanal: Theatermacher Michael Sommer spielt mit Playmobil-Figuren Werke der Weltliteratur nach. Urteil der Jury: «Lustig und lehrreich zugleich, zudem wird die Trennung von E- und U-Kultur aufgehoben.»
Bewegte Jahre. Auf den Spuren der Visionäre
vom Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe: Der User begibt sich auf Spurensuche zum Jugendstil um das Jahr 1900. Urteil der Jury: «Das Museum für Kunst und Gewerbe schafft einen emotionalen und informativen Zugang zu dieser prägenden Zeit in Europa.»
Ein deutsches Dorf
von der Henri-Nannen-Journalistenschule: Die multimediale Dokumentation über das norddeutsche Werpeloh beleuchtet das Leben jenseits der Grossstadt. Urteil der Jury: «Eine lesenswerte Kombination aus Scrollytelling, klassischem Feature und Videojournalismus.»
Mädelsabende
, ein Instagram-Kanal vom WDR: Betrachtet werden Themen junger Frauen, die bewusst einen Gegensatz zur Glitzerwelt von Instagram liefern. Urteil der Jury: «In der sonst recht oberflächlichen Instagram-Traumwelt regt das inhaltlich anspruchsvolle Story-Format zum Nachdenken und weiteren Diskutieren an.»
Kategorie Wissen und Bildung
maiLab
, Youtube-Kanal vom «funk»-Netzwerk von ARD und ZDF: Die promovierte Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim erklärt Alltagsfragen wissenschaftlich fundiert. Urteil der Jury: «Beeindruckend ist vor allem die Leichtigkeit, mit der komplexe Themen reduziert werden, ohne dass man je das Gefühl hat, dass sie sich vor den schwierigen Aspekten ihrer Themen drücken.» maiLab gewann auch den Publikumspreis.
RiffReporter
, Webmagazin und Genossenschaft für freien Journalismus: Die Riffreporter berichten über Wissenschaft, Umwelt oder Technologie. Überzeugt hat die Jury jedoch das Geschäftsmodell: Die Riffreporter sind als Genossenschaft organisiert. Journalistische Entscheidungen treffen sie gemeinsam, Einnahmen von Unterstützern und Lesern gehen direkt an die AutorInnen. Urteil der Jury: «Sie leisten damit nicht nur einen Beitrag zur Sicherung des Qualitätsjournalismus im Netz, sondern auch zur Sicherung der Existenz freier Autoren.»
Kategorie Spezial
«Deutschland spricht»
von Zeit Online: Bei diesem Projekt brachten die Redakteure Menschen in ganz Deutschland mit gegensätzlichen Meinungen in der realen Welt zusammen und gaben ihnen die Möglichkeit, von Angesicht zu Angesicht über Themen zu sprechen, die sie bewegten. Urteil der Jury: «Das Projekt setzt einen wichtigen Kontrapunkt zu den teils erbittert geführten Debatten im Netz und dient damit im besten Sinne der Demokratie.«
Raul Krauthausen
, Aktivist: Die Jury würdigt Krauthausens unermüdliches Engagement als Inklusions-Aktivist, der unter anderem auf Twitter und Facebook bemerkenswert sichtbar den Dialog zu Aspekten der Inklusion und Barrierefreiheit führt. Raul Krauthausen hat Osteogenesis imperfecta (umgangssprachlich als »Glasknochen-Krankheit« bezeichnet) und ist selbst auf einen Rollstuhl angewiesen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kulturnachrichten 25.6.2018, 17:30 Uhr
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