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Ausstellung in Luzern Daniel Schwartz: Der Chronist einer verwundeten Welt

Seit knapp fünf Jahrzehnten reist Daniel Schwartz an die brisanten Orte dieser Welt. Von Kambodscha bis zur Wallstreet. Seine Ausstellung «Tracings» im Kunstmuseum Luzern zeigt Menschen in Ausnahmesituationen – an ganz gewöhnlichen Tagen.

Die Fotografien von Daniel Schwartz verweisen auf die Widrigkeiten der Welt. Beharrlich, aber nie plakativ. Da sind schwer arbeitende Menschen. Zum Beispiel vietnamesische Arbeiterinnen, die ein russisches Frachtschifft von Hand entrosten. Wahrscheinlich viel zu viele Stunden am Tag, für viel zu wenig Geld.

Schwarz-weiss Foto aus Vogelperspektive. Zwei Personen sitzen inmitten vieler dunkler Ankerketten und arbeiten
Legende: Daniel Schwartz: «Die Ankerkette», Bach Dang-Werft, Haiphong, Vietnam, 30. September 1993. © 2023 Daniel Schwartz / VII, ProLitteris, Zürich

Andere Bilder zeigen Aufnahmen aus Krisengebieten. Das Schienbein eines Rohingya-Flüchtlingkindes. Zertrümmert vom Gewehrkolben eines burmesischen Soldaten.

Daniel Schwartz ist kein Fotograf, der das tagesaktuelle Geschehen abbildet. «Ich reagiere nicht auf Ereignisse, sondern verfolge Entwicklungen und Verflechtungen von Interessen über längere Zeiträume», so Schwartz.

Schwarz-weiss Foto eines Schienbeines eines Kindes mit mehreren offenen Wunden, im Hintergrund steht eine weitere Person
Legende: Daniel Schwartz: «Vom Gewehrkolben eines Angehörigen der Burmesischen Armee zerschmettertes Schienbein eines Kindes», 16. Januar 1992. Die Aufnahme stammt aus dem Flüchtlingslager «Maricha Palong». © 2023 Daniel Schwartz / VII, ProLitteris, Zürich

So auch seine Aufnahmen von 2001 aus Herat/Afghanistan. Es sind Menschen zu sehen, die vor dem Hunger und dem Talibanregime flüchten. Fotograf Daniel Schwartz meint: «Die Bilder sind mehr als 20 Jahre alt und heute wieder aktuell.» Die Fotografien bekommen fast etwas Prophetisches. Das abgebildete Unheil verweist auf das künftige Unheil.

Es könnten Aufnahmen aus dem heutigen Afghanistan sein. Denn niemand hat das Unheil verhindert. Die Brutalität der Welt ist menschengemacht. Und die Brutalität ist global verkettet.

Ausstellungshinweis

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Die Ausstellung «Tracings» ist noch bis 04.02.2024 im Kunstmuseum Luzern zu sehen.

Die Ausstellung im Kunstmuseum Luzern zeigt auch Bilder aus den Überflusszentren der Welt. Eine Aufnahme der Wallstreet. Ein Bild vor Tiffany & Co. Gut geölte Maschinen der Konsumgesellschaft. «Tiffanys ist die Metapher des Überflusses. Wenn man das Bild aber genau betrachtet, sieht man auf dem Trottoir vor Tiffanys die senegalesischen Strassenhändler», sagt Schwartz.

Knappheit und Überfluss

Die Ausstellung «Tracings» zeigt, wie ökonomische Verhältnisse ihre Schatten werfen und die Welt formen. Auf einer Aufnahme sehen wir eine kambodschanische Rubinensucherin. Sie wurde von Landminen verletzt und ist an Malaria erkrankt. Ihr Mann pflegt sie, im Arm hält er ein Kind. Ein intimes Bild voller Fürsorge und Verletzlichkeit.

Daniel Schwartz kartografiert das Prekäre und in ihm die Überlebensfähigkeit der Menschen. Es sind Menschen in permanenten Ausnahmesituationen. Und doch an einem ganz gewöhnlichen Tag. «On An Ordinary Day», so die Bildlegende einer weiteren Aufnahme.

Schwarz-Weiss Aufnahme einer Strassenszene. Mittig im Bild eine Person, die einen gefüllten Plastiksack auf dem Kopf hat
Legende: Daniel Schwartz «Ein ganz gewöhnlicher Tag», Kabul, Afghanistan, 12. September 2012. © 2023 Daniel Schwartz / VII, ProLitteris, Zürich

Daniel Schwartz macht die Aufnahmen auch dort, wo die Geschicke der Welt mitentschieden werden. Aber es trotzdem praktisch nichts abzubilden gibt.

Etwa in einem Verwaltungsraum der Vorstandsetage der Federal Reserve Bank. Ein hochpolierter Sitzungstisch mit einer Intarsie. Ein Lichtstrahl fällt direkt darauf und reflektiert hinaus in die Welt.

Sitzungstisch aus Holz, mit Emblem der Bank. Durch ein Fenster fällt Licht auf den Tisch und erzeugt eine Reflexion
Legende: Daniel Schwartz: «Sitzungstisch in der Vorstandsetage», The Federal Reserve Bank, New York City, USA, 10. August 1998. © 2023 Daniel Schwartz / VII, ProLitteris, Zürich

Das letzte Bild der Ausstellung ist wieder aus Afghanistan, Herat, von 2001. Man sieht Hungerflüchtlinge. Am rechten Bildrand, halb verschwunden, das Gesicht eines Mannes, der direkt in die Kamera schaut. Uns anschaut.

Im Hintergrund die Ruinen der Minarette aus dem 15. Jahrhundert. Als Herat unter der Timuriden-Dynastie als das Florenz Asiens galt und in seiner Blütezeit stand.

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Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktuell, 4.10.2023, 7:06

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