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Erinnerungen einer Exilautorin Hertha Pauli – Ihre Fluchtgeschichte ging zu Unrecht unter

Sie kannte die grossen Literaten ihrer Zeit. Aber wer war Hertha Pauli, die vor den Nazis von Wien nach New York floh? Ihre Erinnerungen hielt sie vor 50 Jahren in «Der Riss der Zeit geht durch mein Herz» fest. Jetzt wird das Buch neu aufgelegt. Eine Wiederentdeckung.

Ödön von Horvath, Joseph Roth, Franz und Alma Werfel, Carl Frucht: Alle sind sie bekannt. Alle stehen sie Hertha Pauli nahe. Und alle müssen Österreich verlassen, als in der Nacht vom 11. auf den 12. März 1938 deutsche Truppen Österreich überfallen und Hitler am 13. März 1938 in Wien einzieht.

Mit ihnen flieht auch Hertha Pauli, ehemalige Schauspielerin in Berlin, jetzt Literaturagentin in Wien und Autorin zweier biografischer Romane über bedeutende Frauenfiguren

Hertha Pauli – Faszinierend vielseitig

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Die österreichische Schriftstellerin und Schauspielerin wurde 1906 in Wien geboren. Sie war Journalistin und verfasste zahlreiche Romane. 1970 verfasste sie ihre Lebenserinnerungen. Drei Jahre später starb sie in New York.

Der Lauf des Schicksals

Mit dem Dichter Walter Mehring und dem Juristen Carl Frucht gelangt Pauli über Zürich nach Paris. Dort wird sie Teil der illustren Gruppe um den Schriftsteller Joseph Roth, der im Restaurant «Tournon» seinen berühmten Stammtisch unterhält. Sie trifft Ödön von Horvath wieder, den grossen Dramatiker und Autor des Romans «Jugend ohne Gott».

Mit ihm hat sie in Wien eine leidenschaftliche, aber ungut endende Liebesbeziehung erlebt. In Paris verbringen sie zusammen eine letzte Nacht, die auch als die letzte Nacht in Ödön von Horvaths Leben sein sollte. Am nächsten Morgen wird er auf den Champs-Elysées von einem herabstürzenden Ast erschlagen.

Die Tragik des Krieges

Der Autor der «Geschichten aus dem Wienerwald» ist nur einer von vielen, die das Exil nicht überleben. Nach ihm sterben die Dichter und Schriftsteller Ernst Weiss, Karl Einstein und Walter Hasenclever, die sich das Leben nehmen, ausserdem Joseph Roth, der sich zu Tode säuft.

schwarzweiss Foto Mann in langem Mantel und Hut, daneben Frau mit Hut, auf den Strassen, dahinter ein altes Tram
Legende: Joseph Roth auf den Strassen nach Paris, 1925. Der Freund von Hertha Pauli und Autor der Novelle «Die Legende vom heiligen Trinker» erlag am Ende selbst dem Alkohol. Getty Images / Hulton Archive

Dazu kommen all die anderen deutschen und österreichischen Intellektuellen, die anderswo ihr Leben lassen: Carl von Ossietzky im Konzentrationslager, Kurt Tucholsky in Schweden, Ernst Toller in den USA.

Sie alle ehrt und verewigt Walter Mehring in seinem Gedicht «In Memoriam». Zu Silvester 1940/41 sendet er es von Marseille aus an Hertha Pauli, die zu diesem Zeitpunkt schon in New York in Sicherheit ist.

Kein Ausweg in Sicht

Aber zurück nach Marseille. Marseille ist der furchtbare Höhepunkt ihres Buches. Die einzige Hafenstadt Vichy-Frankreichs wird zur Falle für die Flüchtenden. Ganz egal, ob man nun ein Visum für ein anderes Land hat oder nicht, ein Ausreisevisum aus Vichy-Frankreich ist nicht zu bekommen.

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Zu sehr ist das Regime von Deutschland abhängig. Zu gross sind die deutschen Begehrlichkeiten, die Flüchtenden doch noch zu belangen.

Eine ungewöhnliche Rettung

Es braucht schon die Initiative Thomas Manns, um Hertha Pauli und ihre Freunde zu retten. Offenbar interveniert er vom amerikanischen Exil aus bei der Präsidentengattin Elinor Roosevelt. Mit Erfolg, wie es scheint.

Nur kurze Zeit später taucht ein gewisser Varian Fry in Marseille auf, der einem sogenannten «Emergency Rescue Committee» vorsteht, das auf unbürokratische Weise über 2000 Menschen aus Marseille herausholt.

schwarzweiss Foto Rechts ein Mann mit runder Brille, schaut runter auf Dokument. Daneben drei weitere.
Legende: Varian Fry (rechts) verhalf zwischen 2000 und 4000 Menschen zur Flucht, auf dem Foto mit dem Autor und Poeten André Breton und seiner Frau in Marseille. IMAGO / United Archives

Unter ihnen Hertha Pauli, Walter Mehring, Carl Frucht und die Werfels. Aber auch Marc Chagall, Lion Feuchtwanger, Golo Mann, Alfred Polgar und viele andere werden befreit.

Neubeginn in Übersee

Hertha Pauli landet am 12. September in New York. Sie passt sich schnell an die neue Situation an, lernt Englisch und ein Jahr später schreibt sie bereits in englischer Sprache.

Ihr Heimatland Österreich besucht sie nach dem Krieg nur noch selten. Und wenn, dann nur, um Vorträge über ihre berühmten Freunde Ödön von Horvath oder Joseph Roth zu halten.

Über sich und ihr Leben redet sie kaum. Sie wird auch kaum danach gefragt. Schön also und ausserordentlich lobenswert, dass jetzt dieses Erinnerungsbuch noch einmal neu erscheint. Es ist höchste Zeit, dass Hertha Pauli für ihre eigenen Leistungen gewürdigt wird.

Buchhinweis

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Hertha Pauli: «Der Riss der Zeit geht durch mein Herz.». Paul Zsolnay Verlag, 2022.

Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 06.09.2022, 06:05 Uhr

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