Im Januar 2012 hat sich die Kanadierin Claire Boucher alias Grimes mit ihrem dritten Album «Visions» von 0 auf 100 in den Electronica-Himmel katapultiert. «Genesis» , «Oblivion» , «Symphonia IX» , alles grossartige Songs - aber mal ehrlich: Wer erinnert sich an die anderen 10 Songs auf diesem Album? Eben.
Tuut, tuut! Hier kommt der Hype-Zug
Drei Jahre lang hat Grimes nun am Nachfolger «Art Angels» gebastelt. Nüchtern betrachtet waren die Vorzeichen auf dieses Werk eher, ähm, schlecht: Da wäre zum einen die besorgniserregende Nachricht , dass Boucher irgendwann letztes Jahr ein ganzes, fertig aufgenommenes Album in die Tonne warf, weil es «zu deprimierend» war.
Und zum anderen wären da natürlich die höchst dürftigen Songs, die uns Boucher in der Überbrückungsphase präsentiert hat: «Go» ? Unhörbarer Quark. «REALiTi» ? Nach einmaligem Hören wieder vergessen. Die Vorabsingle «Flesh Without Blood» ? Klingt wie Blümchen.
Und trotzdem: Der Grimes-Hype-Zug rollte in den letzten Monaten ungebremst weiter. Ja, er hat sogar noch an Fahrt aufgenommen! So kürte das Magazin der «Zeit» Grimes vor kurzem sogar zur «neuen Madonna» .
Die neue Madonna: Ist sie es - oder ist sie es nicht?
Umso grösser der Hype, umso grösser meine persönliche Skepsis. Der Vorab-Hype zu «Art Angels» ging mir dermassen auf den Sack, dass ich übelst ready war, das Album zu haten. Jetzt aber, wo ich das Album endlich hören konnte, muss ich mir eingestehen:
Grimes ist cool. «Art Angels» ist cool. Ein Hoch auf Grimes!
Denn: Grimes ist einfach eine hervorragende Produzentin. Das Album KLINGT sooo hervorragend: Es fiept an allen Ecken und Enden, die Bässe wummern herrlich. Zudem zeigen Songs wie der fantastische Opener «California», dass Grimes schlicht und einfach eine grossartige Songwriterin ist.
Ja, stellenweise erinnert das Album an ältere Nelly Furtado-Songs (das ist imfall als Kompliment gemeint. Wirklich!) und selbstverständlich kommt auch «Art Angels» nicht ohne die eine oder andere Niete aus ( «SCREAM» nervt und «Kill V. Maim»... ugh...), im Grossen und Ganzen macht das Album einfach viel zu viel Spass, als dass ich hier wirklich ernsthaft haten könnte.
Bleibt noch der Madonna-Vergleich der Zeit. Auch der ist nicht ganz daneben: Der Titeltrack «Artangels» klingt nämlich tatsächlich wie Madonna zu «Ray of Light»-Zeiten . (Bleibt jetzt noch die Frage, ob sie auch wirklich als «die neue Madonna» bezeichnet werden möchte?)
