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Ethik der Organspende «Die Patienten wissen, dass sie auf den Tod eines Anderen warten»

Warten auf ein neues Herz: Eine Pfarrerin erzählt, wie sie Patienten beisteht, die auf eine Transplantation hoffen.

Organtransplantationen sind für Betroffene und deren Angehörige mit grossen Veränderungen und Ängsten verbunden. Spitalseelsorgerin Barbara Oberholzer gewährt Einblicke in ihren Alltag.

Barbara Oberholzer

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Barbara Oberholzer ist reformierte Pfarrerin und arbeitet seit bald 20 Jahren als Seelsorgerin am Universitätsspital Zürich. Sie ist zuständig für die Seelsorge von Organtransplantierten und begleitet Angehörige von Organspendern und -spenderinnen. Die reformierte Spitalseelsorge ist ein Dienst der evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich.

SRF: Frau Oberholzer, Sie arbeiten seit Jahren als Seelsorgerin mit Transplantationspatienten. Was ist die grösste Sorge eines Menschen, der auf ein Organ wartet?

Wer auf ein Organ eines verstorbenen Menschen warten muss, zum Beispiel auf ein Herz oder eine Lunge, den zerreisst es manchmal fast. Man weiss, dass eine Transplantation nur durch den Tod eines Anderen möglich ist. Die Patienten warten und hoffen darauf, weiterleben zu können. Dabei sind sie sich bewusst: Eigentlich warte ich darauf, dass jemand anderes stirbt. Auf solche Themen werde ich häufig angesprochen.

Wie können Sie diese Menschen unterstützen?

Für mich ist es sehr hilfreich, dass wir in der Schweiz die Zustimmungslösung haben.

In der Schweiz weiss man: Wenn ein Patient ein Organ bekommt, hat der Spender das so gewollt.

So kann ich ihnen versichern: Wenn sie ein Organ bekommen, so haben die Spenderin oder der Spender das gewollt. Es war sein oder ihr Wunsch, dass die Organe weitergegeben werden.

Was ist die Zustimmungslösung?

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Mit Zustimmungslösung ist jenes System gemeint, bei dem ein Organspendeausweis des Verstorbenen oder die Zustimmung der Angehörigen vorliegen muss, damit Organe entnommen werden dürfen.

Haben Sie selbst einen Organspendeausweis?

Ich bin Organspenderin. Das ist bei mir elektronisch vermerkt und meine Familie weiss Bescheid.

Kennen Sie diese diffuse Angst, man könnte vielleicht doch noch nicht ganz gestorben sein, wenn Organe entnommen werden?

Ich weiss, dass es diese Gedanken gibt, aber ich habe sie selber nicht. Die Hirntod-Definition scheint mir absolut einleuchtend. Wenn bei mir der Hirntod festgestellt wird, habe ich keine Hoffnung mehr auf ein Überleben.

Kommen Ihnen oft religiösen Einwände gegen Organspenden entgegen?

Die Ganzheitlichkeit des Körpers und das Zusammengehören von Körper und Seele, das sind auch christliche Vorstellungen. Solchen Einwänden begegne ich gelegentlich.

Es gibt religiöse Menschen, die glauben, dass Körper und Seele nicht getrennt werden dürfen.

Manche verzichten deshalb auf eine Organspende. Diese Menschen würden aber auch kein Organ empfangen wollen. Viele religiöse Menschen glauben, dass Körper und Seele zusammengehören und dass der Leib auch nach ihrem Tod Gott gehört.

Was antworten Sie auf solche Einwände?

Nichts. Das ist ihr gutes Recht, so zu glauben und zu entscheiden.

Dennoch sind Sie als Theologin und Christin selber Organspenderin?

Für mich ist es wichtig, dass mit einem Verstorbenen pietätvoll und mit Respekt umgegangen wird. Ein toter Körper ist etwas Würdevolles.

Die Organe werden achtsam und respektvoll entnommen und der Leichnam anschliessend wieder so hergestellt, dass ihn die Angehörigen anschauen und sich verabschieden können.

Ausserdem ist mir als Christin die Solidarität mit den Lebenden sehr wichtig.

Könnte man sogar sagen, dass Organspenden eine Art Weiterleben nach dem Tod ermöglichen?

Die transplantierten Organe leben materiell weiter – das ist so. Ich habe einmal etwas sehr Berührendes erlebt: Eine junge Frau verstarb mit ihrem ungeborenen Kind nach einem tragischen Unfall.

Ein Helikopter holte die Box mit einem Organ der jungen Frau ab. Er hob ab und flog in den Himmel. Da dachte ich: Bei allem Leid, bei aller Tragik – hier überlebt etwas.

Bei einer Organtransplantation überleben Organe, andere Menschen und vielleicht auch Solidarität und Anteilnahme von Angehörigen und der Spenderin über deren Tod hinaus.

Das Gespräch führten Christa Miranda und Christine Stark.

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